Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfall der virtuellen Optionsrechte aufgrund der Eigenkündigung eines Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
Klauseln, die für die Ausübung von Aktienoptionen nach Ablauf der Wartefrist das Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses als auflösende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 2 BGB verlangen, sind zulässig und nicht gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unangemessen.
Normenkette
BGB § 305 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG München (Entscheidung vom 18.01.2023; Aktenzeichen 20 Ca 7325/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.01.2023, Az.: 20 Ca 7325/22 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf virtuelle Optionen.
Der Kläger war vom 01.04.2018 bis 31.08.2020 bei der Beklagten auf der Basis des Arbeitsvertrags vom 14.02.2018 (Bl. 7 ff. d.A.) angestellt, zuletzt als Senior Customer Success Manager - Strategic Accounts. Das Arbeitsverhältnis endete durch Eigenkündigung des Klägers vom 29.05.2020 zum 31.08.2020.
Am 24.08.2019 erhielt der Kläger ein Zuteilungsschreiben der Beklagten über 23 virtuelle Optionsrechte (sogenannter "Allowance Letter, in beglaubigter deutscher Übersetzung vorliegend als, "Zuteilungsschreiben" Bl. 242 ff. d.A.). Nach Abs. 2 des Zuteilungsschreibens muss der Kläger für die virtuellen Optionen keine Gegenleistung erbringen; vielmehr werden diese ausschließlich als Anreiz für die Zukunft und nicht für in der Vergangenheit erbrachte Leistungen gewährt. Abs. 6 des Zuteilungsschreibens verweist auf die dem Schreiben beigefügten ESOPs (Employee Stock Option Provisions), die in beglaubigter deutscher Übersetzung als "Mitarbeiterbeteiligungsprogramm (Oktober 2026)"vorliegen (Bl. 214 ff d.A.) und den rechtlichen Rahmen für die Optionsrechte bilden, sofern im Zuteilungsschreiben nicht etwas Abweichendes vereinbart wurde. Als Anreiz für die Zukunft waren die Optionen nicht sofort mit Zuteilung ausübbar, sondern sollten über einen gewissen Zeitraum nach und nach ausübbar werden (sog. "vesten"). (Im Tatbestand des Ersturteils wurde "Vesting" fälschlicherweise nicht mit "Ausübbarkeit", sondern mit "Unverfallbarkeit" übersetzt, nachdem die Parteien in der ersten Instanz noch keine beglaubigte Übersetzung des Mitarbeiterbeteiligungsprogramms in die deutsche Sprache vorgelegt hatten.)
Die im "Mitarbeiterbeteiligungsprogramm" niedergelegten Bedingungen lauten auszugsweise wie folgt:
2 ZUTEILUNG
Das Unternehmen kann einer berechtigten Partei eine bestimmte Anzahl virtueller Optionen in Form eines Zuteilungsschreibens ("Zuteilungsschreiben") anbieten. Die virtuellen Optionen sind an den Berechtigten auszugeben, wenn der Berechtigte das Angebot des Unternehmens, wie in dem Zuteilungsschreiben dargelegt, bedingungslos und innerhalb der darin festgelegten Frist annimmt. Maßgeblich Ist der Tag des Eingangs der Annahme bei dem Unternehmen. In dem Zuteilungsschreiben werden der Tag, an dem die virtuellen Optionen gewährt werden sollen ("Zuteilungstag"), und der Basispreis gemäß Abschnitt 7 Abs. 1 festgelegt. Der Zuteilungstag kann vor dem Tag des tatsächlichen Eingangs des Zuteilungsschreibens festgelegt werden
3 AUSÜBBARKEIT (VESTING)
Die an den Berechtigten ausgegebene virtuelle Option wird wie folgt ausübbar:
3.1 Die Vesting-Periode beträgt vier Jahre und beginnt mit dem Zuteilungstag
3.2 25 % der virtuellen Optionen werden nach Ablauf von zwölf (12) Monaten nach dem Zuteilungstag ausübbar ("Vesting-Periode 1")
3.3 1/36 des verbleibenden Teils der ausgegebenen virtuellen Optionen wird mit dem Ablauf jedes Monats, der auf die Vesting-Periode 1 folgt, ausübbar, d. h. nach 12 Monaten (24 Monate insgesamt, wenn Vesting-Periode 1 mitgerechnet wird) werden 50 % (25 % @ 25 %) der virtuellen Optionen ausübbar ("Vesting-Periode 2")
3.4 Die Vesting-Periode wird ausgesetzt, wenn und solange der Berechtigte von seinen Pflichten gegenüber dem betreffenden Unternehmen der C. G. ohne Gehalt freigestellt ist (z. B. bei Berufsunfähigkeit, Elternzeit, unbezahltem Sabbatical oder anderen unbezahlten Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses/Dienstes)
3.5 Nach Ablauf von Vesting-Periode 1 und Vesting-Periode 2 werden die virtuellen Optionen vollständig ausübbar
3.6 Das Unternehmen kann die Bestimmungen dieses Abschnitts 3 im Zuteilungsschreiben für jeden Berechtigten ändern oder aussetzen
4. VERFALL DER VIRTUELLEN OPTIONEN
Die virtuellen Optionen verfallen gemäß diesem Abschnitt 4.
4.1 Virtuelle Optionen, die nicht gemäß dem vorstehenden Abschnitt 3 ausgeübt werden, verfallen, wenn das Arbeits- oder Dienstverhältnis des Berechtigten mit einem Unternehmen der C. G. vor einem Ausübungsereignis (wie nachstehend definiert) endet, ungeachtet des Grundes für dieses Ende (einschließlich dauerhafter Arbeitsunfähigkeit und Tod). Wenn der Berechtigte eine organschaftliche Stellung bei einem Unternehmen der C. G. innehat, verfallen diese nicht ausgeübten virtuellen Optionen ebenfalls...