Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung. Unternehmerische Entscheidung. Umstrukturierung. Abbau einer Hierarchieebene. Darlegungslast

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinauslaufende unternehmerische Entscheidung, verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, bedarf der konkreten Darlegung dieser Entscheidung, damit geprüft werden kann, ob der Arbeitsplatz des betroffenen Arbeitnehmers tatsächlich weggefallen ist und die Entscheidung nicht offensichtlich unsachlich oder willkürlich ist. Hierzu muss der Arbeitgeber insbesondere darlegen, in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig entfallen. Er muss aufgrund seiner unternehmerischen Vorgaben die künftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbleibenden Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG München (Urteil vom 01.12.2005; Aktenzeichen 34 Ca 4767/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 13.02.2008; Aktenzeichen 2 AZR 1041/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 01.12.2005 – 34 Ca 4767/05 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtsmäßigkeit einer ordentlichen Kündigung der Beklagten.

Der Kläger war bei der Beklagten, in ihrem Betrieb in M., seit 01.09.1972 zuletzt als Verkaufsleiter Haushaltsgeräte beschäftigt. Gemäß Arbeitsvertrag vom 16.04.2004 umfasste die Tätigkeit des Klägers neben der durch den Arbeitgeber zu definierenden Leitungsfunktion alle in der Filiale anfallenden Arbeiten, insbesondere die Warenannahme, den Warentransport innerhalb der Filiale, die Warenpflege, den Warenverkauf, Bearbeitung von Kundenreklamationen sowie Kassentätigkeit. Mit Schreiben vom 14.03.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien zum 31.10.2005.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass sein Arbeitsplatz nicht entfallen sei. Die von der Beklagten behauptete Streichung der Hierarchieebene Verkaufsleiter habe sich auf seine Tätigkeit nicht ausgewirkt. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der Kläger maximal 20 % Leitungsaufgaben wahrgenommen habe. Im Wesentlichen sei er Verkäufer gewesen im Bereich Haushaltsgeräte mit einem Zeitanteil von 80 % seiner Tätigkeit. Damit sei er vor und nach seiner Vertragsänderung im Wesentlichen als Verkäufer tätig gewesen. Der Vortrag der Beklagten, dass die Tätigkeiten des Klägers zum Teil ersatzlos weggefallen seien, bzw. dass die verbleibenden Resttätigkeiten der Marktleiter oder ein von ihm beauftragter Käufer mit Kassentätigkeit übernehme, sei vollkommen unsubstantiiert. Darüber hinaus habe die Beklagte in ihrer Filiale G. nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung mehrere Mitarbeiter neu eingestellt. Der Kläger könne sämtliche Positionen der neu eingestellten Mitarbeiter aufgrund seiner Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit von über 30 Jahren bei der Beklagten sofort übernehmen. Im Übrigen die Beklagte die soziale Auswahl unzutreffend durchgeführt. Auch der Betriebsrat sei vor Ausspruch der Kündigung nur pauschal und schlagwortartig angehört worden.

In erster Instanz hat der Kläger beantragt,

es wird festgestellt, dass die Kündigung der Beklagten vom 14.03.2005 rechtsunwirksam ist und das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien auch über den 31.10.2005 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie beruft sich darauf, dass durch eine Unternehmerentscheidung der Arbeitsplatz des Klägers auf Dauer entfallen sei. In einer Geschäftsleitersitzung am 23.02.2005 habe die Beklagte entschieden, auf die Beschäftigung von Verkaufsleitern in der Filiale M. G. zu verzichten. Grund hierfür sei insbesondere das zwischenzeitlich reibungslos funktionierende automatische Dispositionssystem. Durch dieses System habe sich das marktinterne Bestellsystem, für das die Verkaufsleiter zuständig waren, bis auf eine geringe Anzahl von Vorgängen reduziert. Die verbleibenden Resttätigkeiten, bezogen auf das interne Bestellsystem, übernehme zukünftig der Marktleiter oder ein von ihm hierzu beauftragter Verkäufer mit Kassentätigkeit. Durch die vollständige Umsetzung des Discountsystems sei von den Verkaufsleitern, bis auf wenige Ausnahmen, kein korrigierender Eingriff mehr vorzunehmen. Das Gesamtbild des Marktes, bezogen auf Ordnung, Sauberkeit, Präsentation der Ware, habe sich bei allen Verkäufern mit Kassentätigkeit eingespielt. Die neue Organisation für die administrativen Bereiche wie Kasse und Lagerwesen habe sich verselbständigt und bedürfe keiner gesonderten Kontrolle durch die Verkaufsleiter mehr. Das gesamte Warenwirtschaftssystem sei durch die Reduzierung der Waren übersichtlich und könne von jedem im Markt nunmehr noch tätigen Verkäufer mit Kassen- und Lagertätigkeit gehandhabt w...

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