Entscheidungsstichwort (Thema)

Maßregelungsverbot. Auslegung. Haustarifvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines individuell in einem Haustarifvertrag vereinbarten Maßregelungsverbotes

 

Normenkette

GG Art. 9; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Urteil vom 17.03.1998; Aktenzeichen 4 Ca 2095/97 L)

 

Tenor

1. Die Berufung gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Kempten vom 17.03.1998 – Az.: 4 Ca 2095/97 L – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

2. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten aus abgetretenem Recht und auf Grund einer Musterprozeßvereinbaeung über restliche Ansprüche aus einer vom Arbeitgeber aus Anlaß eines Streiks gekürzten tariflichen Jahressonderzuwendung.

Die Klägerin hat die Beklagte u. a. im Werk Lindau/Bodensee bestreikt, um eine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von 100% tariflich abzusichern. Im Werk Lindau wurde die Arbeit vom 24.11. bis 4.12.1996 niedergelegt. Der Arbeitskampf wurde durch einen Firmentarifvertrag beendet, dem eine Protokollnotiz beigefügt ist, welche, soweit es hier interessiert, wie folgt lautet (Bl. 18 d.A.):

Aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifbewegung in der Süßwarenindustrie in der Zeit vom 15.10.–7.12.1996 werden gegenüber den Arbeitnehmern der … keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen (Abmahnungen, Kündigungen) ergriffen. Dies gilt nicht für Straftaten. Bereits veranlaßte Maßnahmen werden zurückgenommen. Der bei der Streikteilnahme erfolgte Entgeltabzug bleibt hiervon unberührt.

Schadensersatzansprüche aus Anlaß oder im Zusammenhang mit der Tarifauseinandersetzung entfallen ebenfalls.

Der Wortlaut der Protokollnotiz wurde von den Zeugen … ausgehandelt.

Die Beklagte hat allen Arbeitnehmern, die am Streik teilgenommen haben, die tarifliche Jahressonderzahlung anteilig gekürzt. Hierfür beruft sie sich auf § 13 des kraft beidseitiger Tarifbindung auf das Arbeitsverhältnis des … anwendbaren Manteltarifvertrages für die Süßwarenindustrie vom 11.5.1994 (im weiteren MTV), der, soweit es hier interessiert, bestimmt:

I.

1. Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tag in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, erhalten eine Jahressonderzuwendung.

4. Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung oder aus sonstigen Gründen ruht; erhalten keine Leistung; ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

Am Streik beteiligt hat sich auch der Arbeitnehmer …. Diesem wurde die Jahressondervergütung für 1996 um rechnerisch unstreitige DM 98,99 brutto gekürzt. Er hat seine Ansprüche an die klagende Gewerkschaft abgetreten. Diese hat mit der Beklagten eine Masterprozeßvereinbarung geschlossen, in der u. a. bestimmt ist, daß auf die Einhaltung der tariflichen Ausschlußfristen verzichtet wird. Hierzu besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, daß sich der Verzicht auf die Ausschlußfristen allein auf Ansprüche aus dem Tarifvertrag, nicht jedoch auf etwaige Ansprüche aus einer Betriebs Vereinbarung, Gesamtzusage oder sonstigen Rechtsgründen bezieht.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, ein Streik führe nicht zum Ruhen des Arbeitsverhältnisses im Sinne von § 13 MTV, und außerdem hätten die Parteien mit der Protokollnotiz vom 4.12.1996 ein umfassendes Maßregelungsverbot vereinbart.

Die Klägerin hat daher mit der am 2.7.1997 eingereichten Klage beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 98,99 brutto nebst 4% Zins aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, mit § 13 Zif. 4 MTV sei auch der Streik gemeint. Außerdem sei man sich einig gewesen, daß die Protokollnotiz lediglich die aufgezählten Maßnahmen verbiete und kein umfassendes Maßregelungsverbot enthalte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Endurteil vom 17.3.1998 abgewiesen und die Berufung zugelassen. Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Würdigung wird auf sein Urteil verwiesen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 16.6.1998 zugestellte Urteil am 29.6.1998 Berufung einlegen und die Berufung zugleich begründen lassen.

Beide Seiten verfolgen ihre ursprünglichen Anträge weiter und halten an ihrer Sachdarstellung und Rechtsauffassung fest, bezüglich derer auf die Berufungsbegründung (Bl. 148/154 d.A.), die Berufungserwiderung (Bl. 170/174 d.A.) sowie den gesamten übrigen Akteninhalt Bezug genommen wird.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch die Einvernahme der Zeugen … bezüglich deren Aussagen auf die Sitzungsniederschriften vom 4.12.1998 (Bl. 211/217 d.A.) und vom 12.3.1999 (Bl. 245/250 d.A.) verwiesen wird.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg.

I.

Die Berufung ist statthaft gemäß § 64 Abs. I, II ArbGG und auch im übrigen zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Frist und in der vorgeschriebenen Form eingelegt und begründet worden, §§ 11 Abs. I...

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