Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung einer arbeitsvertraglichen Bonusregelung im Zusammenhang mit einer Bonusregelung durch Betriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind – abweichend von der einzelfallbezogenen Auslegung von Individualverträgen – nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die nicht am Willen des konkreten Vertragspartners zu orientierende Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Ist dieser nicht eindeutig, kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Vertragstext aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise zu verstehen ist, wobei der Vertragswille verständiger und redlicher Vertragspartner beachtet werden muss. Soweit auch der mit dem Vertrag verfolgte Zweck einzubeziehen ist, kann das nur in Bezug auf typische und von redlichen Geschäftspartnern verfolgte Ziele gelten.
Normenkette
BGB § 611
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 18.02.2010; Aktenzeichen 22 Ca 9581/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 18.02.2010 – Az. 22 Ca 9581/09 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin für 2008 und 2009 (zeitanteilig) einen Bonus zu zahlen.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit 01.07.2006, zuletzt als Associate Director, beschäftigt und schied zum 31.03.2009 aufgrund einer Eigenkündigung bei einvernehmlich verkürzter Kündigungsfrist aus dem Arbeitsverhältnis aus.
Die Beklagte gehört zur G.-Gruppe. Diese besteht im Wesentlichen aus der Finanzholdinggesellschaft G. Holding AG als Muttergesellschaft und der Beklagten (vormals G. Bank AG) sowie der H., Irland, als operativ tätigen hundertprozentigen Tochtergesellschaften. Nachdem die US-amerikanische Investmentbank I. Holding Inc. am 15. September 2008 Gläubigerschutz beantragt hatte und der Interbankenmarkt fast vollständig zum Erliegen gekommen war, standen die Gesellschaften der G.-Gruppe vor der Insolvenz. Aufgrund ihrer Einstufung als systemrelevant wurden der G.-Gruppe zur Abwendung eines Zusammenbruchs ab Ende September 2008 – in erster Linie durch die F. – kurz- und mittelfristige Liquiditätshilfen in dreistelliger Milliardenhöhe zur Verfügung gestellt. Das erste Rettungspaket wurde am Wochenende des 27./28. September 2008 durch die F., die K. und ein Konsortium der deutschen Finanzindustrie verabschiedet.
Im zwischen den Parteien abgeschlossenen „Dienstvertrag für außertariflich vergütete Mitarbeiter” vom 08.03.2006 ist unter anderem folgendes geregelt:
„…
Vergütung
Sie erhalten ein jährliches Gesamtgehalt, das sich aus Grundgehalt, Sonderzahlung und Bonus zusammensetzt.
Grundgehalt
Ihr jährliches Grundgehalt beträgt EUR 58.800,00 brutto. Es wird in 12 monatlichen Teilbeträgen von EUR 4.900,00 brutto ausgezahlt.
Sonderzahlung
Zusätzlich mit dem Dezembergehalt erhalten Sie eine Sonderzahlung in Höhe eines monatlichen Grundgehaltes.
Bonus
Sie erhalten darüber hinaus einen Bonus. Dieser richtet sich nach der individuellen Zielerreichung, dem Teamverhalten sowie dem Erfolg der Bank. Er wird jedes Jahr neu für das abgelaufene Jahr festgesetzt. Der Bonus wird derzeit mit dem Aprilgehalt eines Jahres für das zurückliegende Kalenderjahr gezahlt. Er kann zwischen 0 – 200 % des Basiswertes betragen, der zurzeit bei EUR 16.300,00 brutto liegt.
Gesamtgehalt
Je nach Höhe Ihres Bonus wird ihr Gesamtgehalt deshalb zwischen EUR 63.700,00 und EUR 96.300,00 brutto liegen.
Da das Gesamtgehalt außertariflich geregelt ist, bestehen keine Ansprüche auf Zulagen oder die Vergütung von Mehrarbeit.
Regelung im Eintritts- bzw. Austrittsjahr
Sie erhalten Ihr Grundgehalt, die Sonderzahlung und den Bonus anteilig für die Monate, die Sie in unserer Bank tätig sind.
…
Betriebsvereinbarungen
Es gelten die Arbeitsordnung und die übrigen Betriebsvereinbarungen der Bank in den jeweils gültigen Fassungen.
…” (zum Inhalt des Arbeitsvertrages vom 08.03.2006 im Übrigen wird auf Bl. 4 ff. d. A. Bezug genommen).
Bei der Beklagten gilt die mit ihrem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene „Betriebsvereinbarung zur flexiblen Vergütung und zum Mitarbeitergespräch” vom 13.10.2005 (im folgenden Betriebsvereinbarung vom 13.10.2005). Diese ersetzte die zuvor gültige „Betriebsvereinbarung flexibles Vergütungssystem” vom 05.09.2001, die „Betriebsvereinbarung zum Mitarbeitergespräch” vom 05.09.2001 und die „Betriebsvereinbarung zum Mitarbeitergespräch für Auszubildende” vom...