Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz. Unionsrechtliche sachliche Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung wegen des Alters. Sachgerechter Zweck für unterschiedliche Behandlung wegen des Alters
Leitsatz (redaktionell)
1. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Der Arbeitgeber verletzt diesen Grundsatz, wenn sich für eine unterschiedliche Behandlung kein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund finden lässt.
2. Die RL 2000/78/EG lässt Ungleichbehandlung wegen des Alters zu, wenn die Vorschriften, Kriterien oder Verfahren, die zu einer ungünstigeren Behandlung wegen des Alters führen, durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.
3. Die Übernahme von Arbeitnehmeranteilen zur Rentenversicherung bei Lehrkräften, die noch nicht das 45. Lebensjahr vollendet haben, stellt sich als angemessenes Mittel dar, um deren Wechsel in ein Beamtenverhältnis beim Freistaat Bayern zu verhindern. Dieses unternehmerische Ziel, bestimmte Arbeitnehmer durch freiwillige Leistungen an den Betrieb zu binden und von einem Arbeitgeberwechsel abzuhalten, weil der Arbeitgeber auf ihre weitere Mitarbeit entweder angewiesen ist oder zumindest Wert legt, ist als sachgerechter Zweck anerkannt.
Normenkette
RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2; GRCh Art. 21, 52 Abs. 1; BayBG Art. 23; AGG § 10 S. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Regensburg (Entscheidung vom 01.09.2022; Aktenzeichen 9 Ca 856/21) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Regensburg vom 01.09.2022 - 9 Ca 856/21 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte für den Kläger die Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung zu erstatten bzw. zu übernehmen hat.
Der am 00.00.1962 geborene Kläger wurde ab dem 01.08.2008 bei der Beklagten als Gymnasiallehrer für die Fächer Mathematik, Physik, Natur und Technik und Informatik mit 18 Wochenstunden eingestellt. Seit dem 05.08.2011 hatte der Kläger die uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung für die von ihm unterrichteten Fächer. Derzeit arbeitet der Kläger in Teilzeit mit 22 Stunden pro Woche mit einer Bruttomonatsvergütung von zuletzt 5.254,06 €, wobei der Arbeitnehmeranteil zur Rentenversicherung 540,45 € beträgt. Auf das Arbeitsverhältnis findet die Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse (GO) in ihrer jeweiligen Fassung sowie die arbeitsvertraglichen Regelungen der bayerischen (Erz-) Diözesen (AWD) einschließlich der Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I) in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung.
In Teil B: Sonderregelungen zu den ABD sind unter B, 4.1. Sonderregelungen für die Arbeitsverhältnisse arbeitsvertraglich beschäftigter Lehrkräfte an Schulen in kirchlicher Trägerschaft (SR-L) enthalten. Nach Nr. 6 Abs. 7 übernimmt der Schulträger für Lehrkräfte, "bei denen die persönlichen Voraussetzungen für einen Versorgungszuschuss nach Art. 40 Absatz 1 bis 4 BaySchFG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung (unbefristetes Arbeitsverhältnis, Hauptberuflichkeit, uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung, Höchstalter vollendetes 45. Lebensjahr)" vorliegen, "die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 168 SGB VI...". Art. 40 des BaySchFG ersetzt seit der Änderung zum 01.01.2006 den Schulträgern "für den Versorgungsaufwand, der im Vorjahr für seine Lehrkräfte angefallen ist, einen Versorgungszuschuss. Der Versorgungsaufwand beträgt 25 v.H. des Lehrpersonalaufwands, der in entsprechender Anwendung von Art. 17 ermittelt wird..." In Ergänzung von ABD Teil B, 4.1.1. Nr. 6 wurde die folgende Protokollnotiz aufgenommen.
"Ab dem 01.01.2021 erhöht sich das Höchstalter (vollendetes 45. Lebensjahr) um die Zeiten der tatsächlichen Betreuung und Pflege von mindestens 1 Kind unter 18 Jahren sowie der tatsächlichen Betreuung oder Pflege eines nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen im Umfang von bis zu 36 Monaten pro Kind / Angehörigen, soweit wegen der Betreuung oder der Pflege in dieser Zeit keine hauptberufliche Tätigkeit ausgeübt wurde. Dies gilt auch für Lehrkräfte, deren Arbeitsverhältnis vor dem 01.01.2021 begonnen hat; für sie erfolgt die Übernahme der Arbeitnehmerbeiträge nur auf Antrag und nur mit Wirkung für die Zukunft, frühestens jedoch ab dem 01.01.2021. Absatz 7a findet keine Anwendung." Die Beklagte zahlte keine Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung des Klägers.
Vor dem Arbeitsgericht hat der Kläger vorgetragen, dass er die Voraussetzungen der genannten Regelungen abgesehen von der Voraussetzung des Lebensalters erfüllt habe, da er bei seiner Eins...