Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist bei Freistellung durch den Arbeitgeber. Einstweilige Verfügung. Beschäftigung. Freistellung. Befriedigungsverfügung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine einstweilige Verfügung auf Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist eine Befriedigungsverfügung; mit ihr wird über den Beschäftigungsanspruch selbst entschieden.

2. Bei einer Befriedigungsverfügung muss eine Interessenabwägung stattfinden. Hierbei ist in erster Linie der zu erwartende Ausgang des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Bei einer schwierigen und ungeklärten Rechtslage sind die Anforderungen an den Verfügungsgrund erhöht, wogegen bei einer eindeutigen Rechtslage auf erhöhte Anforderungen an den Verfügungsgrund verzichtet werden kann. Ist die Rechtslage nicht eindeutig, so kommt es auf die Schutzbedürftigkeit des Verfügungsklägers an, so wenn für den Verfügungskläger schwerwiegende Beeinträchtigungen entstünden, deren Hinnahme ihm nicht zumutbar ist. Sind dagegen bei einer offenen Hauptsacheprognose im Einzelfall die Interessen der Parteien von gleichem Gewicht, kommt eine Befriedigungsverfügung nicht in Frage.

 

Normenkette

ZPO §§ 935, 940; BetrVG § 102 Abs. 5; BGB §§ 611, 613, 242; GG Art. 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Kempten (Urteil vom 11.08.2005; Aktenzeichen 2 Ga 12/05 KF)

 

Tenor

Die Berufung des Verfügungsklägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichtes Kempten vom 11.8.2005 – 2 Ga 12/05 KF – wird auf Kosten des Verfügungsklägers zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Der Verfügungskläger verlangt im Wege der einstweiligen Verfügung die Beschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist.

Der Verfügungskläger, geboren am 13.5.1961, ist seit 1.7.1994 bei der Verfügungsbeklagten als Controller bzw. Innenrevisor tätig gegen ein Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 4.141,35. Am 22.4.2005 wurde er von seiner Arbeitspflicht unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. Mit Schreiben vom 27.6.2005 forderte die Prozessbevollmächtigte des Verfügungsklägers die Beschäftigung des Verfügungsklägers als Innenrevisor bzw. Controller. Mit Schriftsatz vom 20.7.2005 beantragte der Verfügungskläger beim Arbeitsgericht Kempten im Wege der einstweiligen Verfügung seine Beschäftigung. Am 26.7.2005 hat dann die Verfügungsbeklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31.12.2005 gekündigt. Gegen diese Kündigung hat der Verfügungskläger am 3.8.2005 Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Kempten erhoben. Über diese Klage ist noch keine Entscheidung getroffen.

Der Verfügungskläger macht geltend, er sei zumindest bis zum Ablauf der Kündigungsfrist 31.12.2005 vertragsgemäß zu beschäftigen. Soweit bestehe ein Verfügungsanspruch. Der Verfügungsgrund sei indiziert, weil die Freistellung grund- und rechtsgrundlos erfolgt sei und ein Interesse an der Freistellung nicht ersichtlich sei. Auch wenn die vom Verfügungsbeklagten behauptete Umstrukturierung bereits vorgenommen worden sei, so bestehe doch eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Verfügungskläger, der als Betriebswirt ein breites Einsatzfeld abdecken könne.

Der Verfügungskläger beantragte im ersten Rechtszug:

Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, den Verfügungskläger als Controller/Innenrevisor 38,5 Stunden/Woche zu einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von EUR 4.141,35 bis 31.12.2005 zu beschäftigen.

Der Verfügungsbeklagte beantragte dagegen

den Antrag zurückzuweisen

und trug vor, es fehle bereits an der Eilbedürftigkeit und damit am Verfügungsgrund, weil der Verfügungskläger mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung drei Monate nach der Freistellung gewartet habe. Außerdem sei kein Hauptsacheverfahren anhängig gemacht worden. Eine besondere Eilbedürftigkeit sei nicht gegeben, weil dem Verfügungskläger im Falle des Nichterlasses der Verfügung ein Verlust von Fähigkeiten oder der Verlust von in einem Beruf wichtigen Informationen nicht drohe. Auch fehle es an einem Verfügungsanspruch, weil für den Verfügungskläger keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestehe. Die Stabstelle des Innenrevisors sei ersatzlos gestrichen worden. Im Falle des Erlasses einer einstweiligen Verfügung werde die Hauptsache vorweggenommen und der Verfügungsbeklagte sei zur Einrichtung der Stabstelle gezwungen. Die Tätigkeit des Verfügungsklägers als Innenrevisor habe die Bereiche Personalcontrolling, Vertragscontrolling und Risikomanagement umfasst. Das Personalcontrolling werde künftig ausschließlich von der Personalabteilung übernommen. Der Bereich Vertragscontrolling werde künftig nicht mehr durch eine eigenständige Teilbereichszuständigkeit des Innenrevisors wahrgenommen, sondern durch ausgelagerte Stellen (Rechtsanwaltskanzlei, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft etc.). Auch der Bereich Risikomanagement werde bis auf weiteres extern vergeben. In räumlicher Hinsicht könne der Verfügungskläger nicht mehr beschäftigt werden, weil sein bisheriges Büro auf unabsehbare Zeit von der Lenkungs- und Projektgruppe „Zertifizierung Qualitätsmanag...

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