Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Kündigung. Widerspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Der durch Vertretungstätigkeiten ausgelöste Kündigungsschutz eines Betriebsratsersatzmitglieds bleibt erhalten, auch wenn sich später herausstellt, daß das vertretene Betriebsratsmitglied nicht verhindert war oder unerlaubt gefehlt hatte oder daß das herangezogene Ersatzmitglied auf der Ersatz liste nicht das „Nächstberufene” gewesen war.
2. Widerspricht ein Betriebsratsersatzmitglied im Falle eines Betriebs(teil-)übergangs nach § 613 a BGB dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses, kommen bei einer ihm daraufhin nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 KSchG ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung § 15 Abs. 4 und 5 KSchG analog zur Anwendung.
Normenkette
BGB § 613a; KSchG § 15
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 13.12.1995; Aktenzeichen 29 Ca 19445/94) |
Tenor
I. Auf die Anschlußberufung der Beklagten wird unter Abänderung des Endurteils des Arbeitsgerichts München vom 13. Dezember 1995 festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die außerordentliche Kündigung vom 9. Dezember 1994 zum 31. März 1995 beendet worden ist.
II. Im übrigen werden die Klagen abgewiesen sowie die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3.
IV. Für beide Parteien wird die Revision zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher und einer außerordentlichen betriebsbedingten Arbeitgeberkündigung in Verbindung mit einem Weiterbeschäftigungsanspruch.
Der am … geborene Kläger war zum 1. August 1985 in die Dienste der Beklagten getreten, eingesetzt zuletzt als Lagerist in deren hauseigener Druckerei mit einem Bruttomonatsgehalt von DM 4.500,–. Druckerei und Kopiererei der Beklagten waren räumlich und organisatorisch abgegrenzte Abteilungen mit zuletzt insgesamt 20 Mitarbeitern.
Vor dem Hintergrund einer anhaltend schlechten Konjunkturlage in der Luft- und Raumfahrtindustrie hatte sich die Beklagte im Verlauf des Jahres 1994 entschlossen, die bisher von ihrer hauseigenen Druckerei und Farbkopiererei durchgeführten Druck- und Farbkopierarbeiten künftig von der Firma … durchführen zu lassen. Die im Eigentum der Beklagten stehenden Druck- und Kopiermaschinen sind daraufhin an die Firma … verkauft, die von der Beklagten für Druck- und Kopierarbeiten genutzten Räume an die Firma … vermietet worden. Seit 2. Januar 1995 führt die Beklagte an ihrem Hauptstandort in Ottobrunn keinerlei Druck- und Farbkopierarbeiten mehr selbst durch; all diese Aufträge werden für sie seitdem von der Firma hergestellt. Die Druckerei … hat ihren Sitz in Taufkirchen. Sie beschäftigte damals mehr als 30 Mitarbeiter und war seit 1961 Mitglied im Verband der Bayerischen Druckindustrie e.V. gewesen.
Die in der Druckerei und Farbkopiererei arbeitenden Mitarbeiter der Beklagten sind über den Verkauf von Druckerei und Farbkopiererei an die Firma … in Abteilungsversammlungen, mittels Aushang und über ein Merkblatt informiert worden. Der Interessenausgleich in Sachen „Übertragung der Reprotechnischen Dienste an die Firma …” datiert vom 20. Mai 1994 (Blatt 31 bis 35 der Akte). Alle daran Beteiligten, darunter die Firma … werteten diesen Verkauf als Betriebsübergang im Sinne des § 613 a BGB und in diesem Sinne hatte die Beklagte dann auch ihre davon betroffenen 20 Mitarbeiter informiert. Drei von ihnen, darunter der Kläger, haben einem Betriebsübergang auf die Firma … widersprochen.
Die Beklagte prüfte daraufhin, ob u. a. für den Kläger ein anderweitiger freier Arbeitsplatz vorhanden ist und leitete, nachdem diese Frage bezogen auf den Kläger verneint worden war, das Kündigungsverfahren ein.
Mit Schreiben vom 10. November 1994 hörte sie den Betriebsrat zur beabsichtigten Kündigung des Klägers an und sprach mit Schreiben vom 30. November 1994 (Blatt 8/9 der Akte) diese Kündigung zum 28. Februar 1995 aus betriebsbedingten Gründen dann auch aus, obwohl der Betriebsrat mit Schreiben vom 28. November 1994 (Blatt 10/11 der Akte) der beabsichtigten Maßnahme widersprochen und gleichzeitig mitgeteilt hatte, daß der Kläger am 19. September 1994 als Ersatzmitglied an einer Sondersitzung des Betriebsrats teilgenommen habe.
Mit Schreiben vom 7. Dezember 1994 (Blatt 40 bis 42 der Akte) hörte die Beklagte den bei ihr bestehenden Betriebsrat dann zu einer beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Klägers gemäß § 15 Abs. 4 und 5 KSchG mit sozialer Auslauffrist bis 31. März 1995 an. Der Betriebsrat hat auch dieser Kündigungsabsicht widersprochen, und zwar mit Schreiben vom 9. Dezember 1995 (Blatt 43/44 der Akte), und mitgeteilt, daß der Kläger am 7. Dezember 1994, ab 8.30 Uhr, erneut als Ersatzmitglied an einer (Sonder-)Sitzung des Betriebsrats teilgenommen habe. Die Beklagte hat dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9. Dezember 1994 (Blatt 4/5 der Akte) eine außerordentliche Kündigung zum 31. März 1995 „entsprechend § 15 Abs. 4 und 5 KSchG” ...