Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzt im Praktikum. TV-Ärzte. Auslegung. ärztliche Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit als Arzt im Praktikum ist bei der Stufenfindung des Tarifvertrags für Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) nicht zu berücksichtigen, da sie weder eine ärztliche noch eine nichtärztliche Tätigkeit, sondern der letzte Teil der Ausbildung zum Arzt ist.
Normenkette
TV-Ärzte § 16 Abs. 2 S. 1; TV-Ü § 5 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 14.12.2007; Aktenzeichen 27 Ca 9506/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird dasEndurteil des Arbeitsgerichts München vom 14.12.2007 – Az.: 27 Ca 9506/07 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.
3. Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten auch in der Berufung über die Anrechnungsfähigkeit der Dienstzeit des Klägers als Arzt im Praktikum (künftig: AiP) für die Stufenzuerkennung in der Entgeltgruppe Ä 1 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (künftig: TV-Ärzte) vom 30.10.2006.
Der Kläger und Berufungsbeklagte (künftig: Kläger), Mitglied des Marburger Bundes, ist bei dem Beklagten und Berufungskläger (künftig: Beklagter), Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, an dessen Klinik für Anästhesiologie – einer Universitätsklinik – seit 01.10.2004 als Assistenzarzt beschäftigt. Zuvor ist er bei dem Beklagten im Zeitraum vom 01.09.2003 bis 30.09.2004 als AiP tätig gewesen.
Bis zum 30.09.2004 hat die Bundesärzteordnung (künftig: BÄO) in der Fassung vom 14.03.1985 gegolten, die bestimmt hat, dass Studierende nach Bestehen sämtlicher ärztlicher Prüfungen eine 18-monatige Tätigkeit als AiP auszuüben hatten, bevor sie die Approbation erhalten haben. Für die Dauer ihrer Tätigkeit als AiP haben die
Examensabsolventen eine ärztliche Berufserlaubnis erhalten, die es ihnen ermöglicht hat, unter Aufsicht approbierter Ärzte ärztliche Tätigkeiten auszuüben. Nach Beendigung der Zeit als AiP haben die Examensabsolventen – ohne sich einer weiteren Prüfung unterziehen zu müssen – die Approbation gemäß § 3 Abs.1 Nr.5 Ärzteapprobationsordnung (ÄAppO) a.F erhalten.
Der Marburger Bund und die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder haben am 30.10.2006 den TV-Ärzte abgeschlossen, der am 01.11.2006 in Kraft getreten ist. In § 12 des TV-Ärzte haben die Tarifvertragsparteien die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte und in § 16 Abs.1 eine Stufenbildung geregelt. § 16 TV-Ärtze lautet im Auszug:
Absatz 1:
„Die Entgeltgruppe Ä 1 umfasst fünf Stufen…. Die Ärzte erreichen die jeweils nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1)… Tätigkeit …, die in den Tabellen A und B angegeben sind.”
Absatz 2 Satz 1:
„Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt Folgendes: Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt.”
Absatz 2 Satz 2:
„Zeiten der Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden.”
§ 5 des ebenfalls von Marburger Bund und Tarifgemeinschaft der Deutschen Länder abgeschlossenen Überleitungstarifvertrags vom 30.10.2006 (künftig: TV-Ü) regelt:
„Die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV-Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu demselben Arbeitgeber.
Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt
§ 16 Absatz 2 TV-Ärzte.”
Der zwischen der Gewerkschaft ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände – also nicht unter Beteiligung des Marburger Bundes und der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder – abgeschlossene Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) – Besonderer Teil Krankenhäuser – (BT-K) vom 01.08.2006 regelt in § 41 Abs.2:
„Bei Einstellung von Ärztinnen und Ärzten der Entgeltgruppe I werden Zeiten ärztlicher Berufserfahrung bei der Stufenzuordnung angerechnet. Eine Tätigkeit als Arzt im Praktikum gilt als ärztliche Berufserfahrung…. Unabhängig davon kann der Arbeitgeber bei Neueinstellungen zur Deckung des Personalbedarfs Zeiten einer vorherigen beruflichen Tätigkeit ganz oder teilweise für die Stufenzuordnung berücksichtigen, wenn diese Tätigkeit für die vorgesehene Tätigkeit förderlich ist.”
In einer Protokollerklärung zu Abs. 2 vermerken die dortigen Tarifvertragsparteien:
„Zeiten ärztlicher Tätigkeit sind nur solche, die von einem gemäß § 10 BÄO oder einer vergleichbaren Qualifikation eines EU-Mitgliedsstaates approbierten Beschäftigten geleistet worden sind.”
Der Beklagte hat den Kläger in Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 3 eingruppiert. Bei der Eingruppierung des Klägers hat er dessen Dienstzeit als AiP unberücksichtigt gelassen.
Mit Schreiben vom 22.12.2006 (Bl.11 d.A.) hat der Kläger gegenüber dem Beklagten seine Eingruppierung in...