Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anrechnung von Dienstzeiten als Ärztin im Praktikum (AiP) bei der Einstufung in Entgeltgruppe
Leitsatz (amtlich)
1. Zeiten der Tätigkeit als Ärztin im Praktikum (AiP) sind für die Stufenfindung nach § 16 TV Ärzte TdL nicht heranzuziehen.
2. Einer Ärztin im Praktikum fehlt es hierzu an Berufserfahrung als Ärztin im medizinal-rechtlichen Sinne und auch an Berufserfahrung aus nicht ärztlicher Tätigkeit.
Normenkette
TVG § 1; TV Ärzte TdL §§ 12, 16
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 14 Ca 321/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 31.11.2007, Az.: 14 Ca 321/07, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob Dienstzeiten der Klägerin als Ärztin im Praktikum (AIP) im Zuge der Einstufung in die Entgeltgruppe Ä 1 des Tarifvertrages für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV Ärzte) vom 30.10.2006 anzurechnen sind.
Die Klägerin, Mitglied des Marburger Bundes, ist beim Beklagten, Mitglied der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder an dessen Universitätsklinik vom 15.09.2004 bis 31.12.2006 als Assistenzärztin in der Abteilung Innere Medizin/Hämatologie und Onkologie beschäftigt gewesen. Zuvor war sie beim Beklagten vom 15.03.2003 bis 14.09.2004 als Ärztin im Praktikum tätig. Ihre Approbation als Ärztin erhielt sie mit Wirkung zum 15.09.2004.
Am 30.10.2006 schlossen der Marburger Bund und die Tarifgemeinschaft Deutscher Länder den TV Ärzte, der am 01.11.2006 in Kraft trat. In § 12 des TV Ärzte wurde dabei die Eingruppierung der Ärztinnen und Ärzte und in § 16 eine Stufenbildung geregelt.
§ 12 „Eingruppierung” lautet auszugsweise:
Ärzte sind entsprechend ihrer nicht nur vorübergehend und zeitlich mindestes zur Hälfte auszuübenden Tätigkeit wie folgt eingruppiert:
Entgeltgruppe |
Bez Bezeichnung |
Ä 1 |
Ärztin/Arzt mit entsprechender Tätigkeit |
Ä 2 |
Fachärztin/Facharzt mit entsprechender Tätigkeit |
Ä 3 … |
Oberärztin/Oberarzt … |
§ 16 „Stufen der Entgelttabelle” lautet auszugsweise:
(1) |
Die Entgeltgruppe Ä 1 umfasst 5 Stufen; die Entgeltgruppen Ä 2 bis Ä 4 umfassen 3 Stufen. Die Ärzte erreichen jeweils die nächste Stufe nach den Zeiten ärztlicher (Ä 1), fachärztlicher (Ä 2), oberärztlicher (Ä3) Tätigkeit bzw. der Tätigkeit als ständiger Vertreter des leitenden Arztes (Chefarzt), die in den Tabellen (Anlagen a und b) angegeben sind. |
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(2) |
Für die Anrechnung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit gilt folgendes: |
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Bei der Stufenzuordnung werden Zeiten mit einschlägiger Berufserfahrung als förderliche Zeiten berücksichtigt. Zeiten von Berufserfahrung aus nichtärztlicher Tätigkeit können berücksichtigt werden. |
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(3) |
… |
§ 5 des ebenfalls vom Marburger Bund und der Tarifgemeinschaft der deutschen Länder abgeschlossenen Überleitungstarifvertrags vom 30.10.2006 (TVÜ) regelt: „die Ärzte werden derjenigen Stufe der Entgeltgruppe (§ 12 TV Ärzte) zugeordnet, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle für Ärztinnen und Ärzte bereits seit Beginn ihrer Zugehörigkeit zu der für sie maßgebenden Entgeltgruppe gegolten hätte. Für die Stufenfindung bei der Überleitung zählen die Zeiten im jetzigen Arbeitsverhältnis zu dem selben Arbeitgeber. Für die Berücksichtigung von Vorzeiten ärztlicher Tätigkeit bei der Stufenfindung gilt § 16 Abs. 2 TV Ärzte.”
Der Beklagte hat die Klägerin in die Entgeltgruppe Ä 1 Stufe 3 eingruppiert und hat dabei deren Dienstzeit als AIP unberücksichtigt gelassen.
Mit Schreiben vom 16.08.2006 hat die Klägerin ihrer Eingruppierung widersprochen und die Anerkennung der AIP-Tätigkeit als Zeit einschlägiger Berufserfahrung gefordert, so dass sich ihr Gehalt nach der Entgeltgruppe Ä1 Stufe 4 (nach Anlage A 1 zum TV Ärzte: Arzt im 4. Jahr) bemessen sollte. Zugleich hat die Klägerin verlangt den Differenzbetrag zur Stufe 3 ab 01.07.2006 nachzuzahlen. Sie hat ihr Begehren mit Schreiben vom 22.11.2006, 07.05.2007 und 13.06.2007 wiederholt. Der Beklagte hat die Forderungen der Klägerin stets abgelehnt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die geforderte Berücksichtigung ihrer Zeit als Ärztin im Praktikum ergebe sich daraus, dass sie vor und nach ihrer Approbation auf exakt dem selben Arbeitsplatz in der selben Situation mit der derselben thematischen Befassung tätig geworden sei. Bereits als Ärztin im Praktikum habe sie nach kurzer Einarbeitsphase eigenständig alle Aufgaben übernommen. Approbierte Ärzte und Ärzte im Praktikum seien gleichermaßen behandelt worden. Die Berücksichtigung ihrer Zeiten als Ärztin im Praktikum ergebe sich aus dem Wortlaut des Tarifvertrages, denn § 16 Abs. 2 Satz 1 TV Ärzte stelle auf einschlägige Berufserfahrung ab und sei nicht durch den Begriff der ärztlichen Tätigkeit geprägt. Jedenfalls ergebe sich die gebotene Anrechnung aus § 16 Abs. 2 Satz 2 TV Ärzte, wonach die Tätigkeit als Ärztin im Praktikum jedenfalls als nichtärztliche Tätigkeit im Tarifsinne gewertet werden müsse. Durch die gänzlich Außerachtlassung der Zeiten als Ärztin im...