Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf von Abmahnungen und Kündigungen
Leitsatz (amtlich)
1. Es besteht kein Widerrufsanspruch des Arbeitnehmers, wenn in Abmahnungen und Kündigungen, die später rechtskräftig für unwirksam erklärt wurden, die Rechtsbehauptung arbeitsvertragswidrigen Verhaltens aufgestellt worden war. Ein entsprechender Anspruch kann bei offensichtlich ehrkränkenden Äußerungen gegeben sein.
2. Der Schutz des Persönlichkeitsrechts im Bereich der Sozialsphäre reicht nicht so weit, in der (betrieblichen) Öffentlichkeit nur so dargestellt zu werden, wie man sich selbst sieht oder von anderen gern gesehen werden würde (BVerfGE 99, 194).
3. Die gerichtliche Feststellung der Rechtsunwirksamkeit von Abmahnungen und Kündigungen begründet für sich allein keine Informationsverpflichtung des Arbeitgebers an alle (Konzern-)Mitarbeiter.
Normenkette
BGB §§ 611, 242, 1004
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 02.04.2009; Aktenzeichen 32 Ca 5328/09) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 02.04.2009 – 32 Ca 5328/09 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die rechtskräftig festgestellte Rechtsunwirksamkeit zweier von ihr erklärter Abmahnungen und zweier Kündigungserklärungen an alle ihre Mitarbeiter sowie weltweit an alle Mitarbeiter der Konzernfirmen (insg. ca. 9.000) schriftlich mitzuteilen, außerdem auch, dass die Beklagte die Behauptung nicht aufrecht erhalte, der Kläger habe seine arbeitsvertraglichen Pflichten in der Vergangenheit verletzt.
Der Kläger war seit dem 15.03.2003 bei der Beklagten in der Funktion eines Prüfungsleiters der „Internen Revision” zu einem Monatsgehalt in Höhe von 0,– EUR brutto beschäftigt.
Unter dem Datum 10.10.2003 erteilte die Beklagte dem Kläger zwei Abmahnungen. Die eine Abmahnung beanstandete die Weigerung des Klägers, trotz ausdrücklicher Weisung seines Vorgesetzten, Daten eines Konzernunternehmens auf dem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Rechner zu speichern. Die zweite Abmahnung betraf das Kommunikationsverhalten des Klägers.
Die Abmahnungen haben folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr G.,
Ihr nachfolgend dargestelltes Verhalten gibt uns Veranlassung, Sie auf die ordnungsgemäße Erfüllung Ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen mit Nachdruck hinzuweisen:
In der KW 39 waren Sie mit Ihrem Vorgesetzten H. bei TD. Ihr Vorgesetzter nahm sich der Aktivitäten für Sarbanes-Oxley selbst an, um eine reibungslose Zusammenarbeit mit unserem Partner De. & To. zu gewährleisten. Am 23.09.2003 wurden Sie von Ihrem Vorgesetzten aufgefordert, die vertraulichen Dokumente von TD. in Empfang zu nehmen, die in Form von Hard-Copies und teilweise in File-Format, De. & To. bereitgestellt werden sollten.
Als Teamleader waren Sie für die Bereitstellung verantwortlich und somit auch für einen störungsfreien Ablauf. Sie haben sich jedoch geweigert, diese Dokumente entgegenzunehmen mit der Begründung, dass kein Encryption-Software auf Ihrem Laptop sei und Sie die Verantwortung für D&P-Kollegen nicht übernehmen werden.
Daraufhin wurden Sie informiert, dass zwischen TD. und De. & To. ein Vertrag existiert, welcher eine sogenannte „non-disclosure”-Klausel enthält, die speziell solche Fälle regelt. Darüber hinaus wurde Ihnen erklärt, dass dieser Vertrag mit Hinweis auf „professional standards for external accountants” abgeschlossen wurde. Trotz dieser Ausführungen haben Sie sich weiterhin geweigert, den Anweisungen Ihres Vorgesetzten Folge zu leisten und die Dokumente entgegenzunehmen und sind damit auch Ihrer Verantwortung als Teamleader nicht gerecht geworden.
Durch Ihr Verhalten haben Sie sich nicht nur den Anweisungen Ihres Vorgesetzten widersetzt, sondern auch die Durchführung des Auftrages verzögert und damit die ineffiziente Ausführung verursacht.
Ein solches Fehlverhalten können wir nicht unbeanstandet hinnehmen und mahnen Sie daher ausdrücklich ab.
In Ihrem eigenen Interesse fordern wir Sie auf, den Anweisungen Ihres Vorgesetzten künftig Folge zu leisten, damit ein störungsfreier Ablauf gewährleistet bleibt. Andernfalls müssen Sie mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses rechnen.
…”
und
„Sehr geehrter Herr G.,
Ihr Kommunikationsverhalten gibt uns leider Anlass zu Beanstandungen. Bereits in der jüngsten Vergangenheit haben Sie Kollegen in einer unangemessenen Art und Weise per Mail angegangen. Daraufhin fanden Gespräche sowohl mit betroffenen Kollegen als auch mit Ihrem Vorgesetzten statt. Sie wurden nicht nur über die Grundsätze im Umgang mit Kollegen/Vorgesetzten informiert, sondern auch ausdrücklich aufgefordert, dieses Verhalten abzustellen und dem betroffenen Kollegen eine schriftliche Entschuldigung zukommen zu lassen.
Dennoch müssen wir feststellen, dass Sie, trotz der stattgefundenen Gespräche, diese abfällige und unkollegiale Kommunikationsart weiter fortsetzen. Am 30.07.2003 wurde Ihr Vorgesetzter H. durch Kollegen aus dem He...