Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf. Besitzstandszulage. Sonderurlaub aus familiären Gründen
Leitsatz (amtlich)
Zifer 5.1.4.C. der TdL Durchführungshinweise zu § 5 Abs. 2 S. 3 TVÜ-L rechtfertigen den Widerruf einer als außertarifliche Besitzstandszulage gewährte Leistungszulage jederzeit der Begründung, die betreffende Arbeitnehmerin sei nicht mehr im Schreibdienst, sondern in einer Serviceeinheit tätig, noch unter Hinweis darauf, dass sich die Arbeitnehmerin am 31.10.2006 im Sonderurlaub aus familiären Grund ohne Fortzahlung der Vergütung befunden habe.
Ersteres ergtibt sich aus § 2 TV zur Änderung der Anlage 10 zum BAT vom 29.11.2000.
Letzteres ergibt sich aus § 5 Abs. 6 TVÜ-L sowie daraus, dass andernfalls die Besitzstandsregelung gegen Art. 6 GG verstoßen würde.
Normenkette
BGB § 315; TVÜ-L § 5; § 2 ÄnderungsTV der Anlage 10 BAT vom 29.11.2000
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Urteil vom 11.05.2010; Aktenzeichen 1 Ca 416/09) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 11.05.2010 – 1 Ca 416/09 – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat das beklagte Land zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechtigung des beklagten Landes zum Widerruf einer Besitzstandszulage (vormals Leistungszulage).
Die Klägerin ist seit dem 01.08.1990 als Justizangestellte beim beklagten Land im Amtsgericht A-Stadt tätig. Gemäß Schreiben vom 06.05.1995 gewährte das beklagte Land der Klägerin nach Protokollnotiz Nr. 4 des Tarifvertrages für Angestellte im Schreibdienst vom 10.07.1996 i. V. m. den Richtlinien für die Gewährung von Leistungszulagen an Angestellte im Schreibdienst in der Fassung vom 01.09.1970 ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung und unter dem Vorbehalt des Widerrufs eine Leistungszulage. Die Bewilligung dieser Leistungszulage basierte auf den Feststellungen im Monat Januar 1995, in dem die Klägerin eine tatsächliche durchschnittliche Tagesanschlagsleistung von 62.559 Anschlägen erreicht hatte. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 113, 114 d. A. verwiesen.
Bis Ende September 2008 für ca. 8 Jahre hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zunächst aufgrund Inanspruchnahme von Elternzeit durch die Klägerin und im Anschluss daran aufgrund von Sonderurlaub zur Kinderbetreuung unter Fortfall der Dienstbezüge geruht. Zum 01.10.2008 trat die Klägerin ihren Dienst an. Seit dem 01.03.2009 wird sie in einer Serviceeinheit beim Amtsgericht A-Stadt eingesetzt, zuvor erfolgte ihre Beschäftigung im Rahmen der Datenerfassung. Zunächst erhielt die Klägerin die Leistungszulage ab Oktober 2008 als Besitzstandszulage unverändert in Höhe von zuletzt 53,65 EUR brutto pro Monat weiter. Mit Schreiben vom 27.03.2009 widerrief der Präsident des Amtsgerichtes A-Stadt die Leistungszulage rückwirkend zum 01.10.2008. Er bezog sich hierbei auf § 9 Abs. 4 TVÜ-L und führte aus, dass sich die Klägerin am Stichtag, dem 31.10.2006, im Sonderurlaub aus familiären Gründen befunden habe und deshalb ihres Anspruchs auf Zahlung einer Zulage verlustig gegangen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten dieses Schreibens wird auf Bl. 7 und 8 d. A. Bezug genommen.
Mit der Abrechnung für den Monat April 2009 wurden von dem Gehalt der Klägerin die für die Monate Oktober 2008 bis März 2009 geleisteten Zahlungen im Hinblick auf die Leistungszulage in Abzug gebracht. Ab April 2009 zahlt das beklagte Land an die Klägerin die streitgegenständliche Zulage nicht mehr.
Mit der am 20. Juli 2009 beim Arbeitsgericht Osnabrück eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Zahlung der Zulage in unveränderter Höhe ab dem Oktober 2008. Sie hat die Ansicht vertreten, die Beklagtenseite sei zum Widerruf dieser Zulage auf Grundlage des Schreibens vom 27.03.2009 nicht berechtigt. Die in der Protokollerklärung Nr. 1 zu § 9 Abs. 4 TVÜ-L aufgelisteten unschädlichen Unterbrechungstatbestände insbesondere in Gestalt des Urlaubes umfassten nach ihrem Sinn und Zweck den von der Klägerin am 31.10.2006 in Anspruch genommenen Sonderurlaub zur Kinderbetreuung. Eine Nichtanerkennung dieses Sonderurlaubs würde andernfalls zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber vergleichbaren Mitarbeitern ohne Sonderurlaub am 31.10.2006 sowie einer nicht gerechtfertigten mittelbaren Benachteiligung von Frauen führen.
Die Klägerin hat beantragt,
- das beklagte Land zu verurteilen, an sie 160,95 EUR brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 53,65 EUR seit dem 05.05.2009, seit dem 03.06.2009 und seit dem 30.07.2009 zu zahlen;
das beklagte Land zu verurteilen, an sie ab dem Monat Juli 2009 eine tarifliche Zulage in Höhe von 53,65 EUR brutto zu zahlen;
hilfsweise festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie ab Juli 2009 die Zulage in Höhe von derzeit 53,65 EUR pro Monat weiter zu zahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzu...