Entscheidungsstichwort (Thema)
Typisierende Betrachtung der Tätigkeiten bei der Eingruppierung von Elektronikern in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung nach dem TV EntgO Bund. Auslegung von Tarifnormen
Leitsatz (amtlich)
Eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 6, Fallgruppe 2 des Teils V, Abschnitt 3 des TV EntgO Bund setzt neben der Beschäftigung des Arbeitnehmers an Land in der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes voraus, dass er die Anforderungen "Elektroniker mit abgeschlossener Berufsausbildung und entsprechender Tätigkeit" erfüllt. Einer zusätzlichen Feststellung, dass der Arbeitnehmer mindestens zur Hälfte WSV-spezifische Tätigkeiten verrichtet, bedarf es nicht. Die Tarifvertragsparteien haben mit der Verwendung des Begriffs "WSV-spezifische Tätigkeiten" in der Überschrift des 3. Abschnitts lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass diejenigen an Land beschäftigten Arbeitnehmer, die die Tätigkeitsmerkmale der nachfolgend geregelten Entgeltgruppen erfüllen, Beschäftigte mit WSV-spezifischen Tätigkeiten sind.
Leitsatz (redaktionell)
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können weitere Kriterien berücksichtigt werden. Im Zweifel ist die Tarifauslegung zu wählen, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Lösung führt.
Normenkette
TV EntgO Bund § 3; TV EntgO Bund Teil V Abschn. 3 EG 6 Fallgr. 2; TV EntgO Bund Teil II EG 5; TVöD § 12; TVÜ-Bund § 26 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Lingen (Entscheidung vom 24.05.2019; Aktenzeichen 2 Ca 486/18 Ö) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 24.05.2019 (2 Ca 486/18 Ö) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers in den Jahren 2015 und 2016.
Der Kläger absolvierte bei der Beklagten erfolgreich eine Ausbildung zum Elektroniker für Energie- und Gebäudetechnik. Ab 29.01.2011 übernahm ihn die Beklagte als Vollbeschäftigten. Der schriftliche Formular-Arbeitsvertrag (Bl. 71, 72 d.A.) nimmt auf die Bestimmungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) und den diesen ergänzenden Tarifverträgen in den für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassungen Bezug.
Die Beklagte setzte den Kläger unter Vergütung nach Lohngruppe 4 Fallgruppe 1 AT zum MTArb innerhalb des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) M. am Bauhof M. auf dem Dienstposten "Elektroniker Gewerk B3" ein, für den eine Tätigkeitsdarstellung vom 31.01.2011 (Bl. 78, 79 d.A.) existiert. Dort heißt es zu den anfallenden Tätigkeiten:
"Beschäftigung im Ausbildungsberuf zur Erledigung von Arbeitsaufträgen in der E-Werkstatt, u.a.:
- Störungsbeseitigung an elektrischen Anlagen und auf Wasserfahrzeugen
- Erstellen von Elektroinstallationen für Gebäude
- Instandsetzung von elektrischen Geräten und Maschinen
- Mitarbeit bei der Beseitigung von Störungen und Fehlersuche in der Steuerungstechnik für Schleusen und Wehre im Rahmen von Regieleistungen der E-Werkstatt"
Nach Inkrafttreten des Tarifvertrages über die Entgeltordnung des Bundes (TV EntgO Bund) vom 5. September 2013 leitete die Beklagte den Kläger zum 01.01.2014 in die Entgeltgruppe 5 über.
Der Kläger nahm nach näherer Maßgabe der vorgelegten Aufstellung (Bl. 86 d. A.) und Bescheinigungen (Bl. 87 - 123 d. A.) an diversen Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen teil, u. a. an den aus dem Anlagenkonvolut 5 (Bl. 65 - 69 d. A.) ersichtlichen 5 sogen. SIMATIC-Schulungen zwischen Oktober 2014 und November 2015, in denen Kenntnisse für Tätigkeiten an speicherprogrammierbaren Steuerungen (SPS) vermittelt wurden.
Mit Schreiben vom 11.11.2014 (Bl.74 d.A.) beantragte der Kläger aufgrund des Überleitungstarifvertrages (TVÜ Bund) erfolglos seine Höhergruppierung in die Entgeltgruppe 6 TVöD rückwirkend ab dem Inkrafttreten der Entgeltordnung am 1. Januar 2014.
Mit Schreiben vom 25.01.2017 (Bl. 7 d. A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm mit Wirkung vom 01.01.2017 auf dem Dienstposten DP B3-6 höherwertige Tätigkeiten übertragen würden und seine Eingruppierung zum 01.01.2017 in die Entgeltgruppe 6 erfolge.
Daraufhin machte der Kläger gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 08.02.2017 (Bl. 8f d. A.) geltend, dass sein Höhergruppierungsantrag auf den 01.01.2014 zurückwirke. Mit weiterem Schreiben vom 16.10.2018 (Bl. 10f d. A.) forderte er die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Bruttovergütungsdifferenzen fü...