Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Namensliste. Interessenausgleich. Betriebsänderung. soziale Auswahl. grobe Fehlerhaftigkeit. Altersgruppen. Überprüfung der Sozialauswahl bei Kündigung nach Interessenausgleich mit Namensliste. Altersgruppenbildung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bildung von Altersgruppen bei der Aufstellung einer Namensliste zum Interessenausgleich führt nicht zur groben Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl, wenn sie den in § 10 Satz 2 AGG aufgestellten Erfordernissen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt.

 

Normenkette

KSchG §§ 1, 17; BetrVG §§ 111, 112a; AGG §§ 1, 7; InsO § 125

 

Verfahrensgang

ArbG Osnabrück (Urteil vom 20.01.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1089/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 20. Januar 2010 – 4 Ca 1089/09 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Der Kläger war seit 1985 bei der WK GmbH (im Folgenden: K) beschäftigt; über deren Vermögen eröffnete das Amtsgericht B-Stadt am 29. Juni 2009 das Insolvenzverfahren und bestellte den Beklagten als Insolvenzverwalter. Bereits am 21. April 2009 hatte K das Arbeitsverhältnis des Klägers, der einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist, nach Zustimmung des Integrationsamtes zum 30. November 2009 gekündigt.

Die Kündigung beruht auf einem Interessenausgleich und Sozialplan 07/09 vom 21. März 2009, wegen dessen genauen Inhaltes auf Anlage 14 des Anlagenbandes Bezug genommen wird. Insbesondere war der Abbau von 1.340 Arbeitsplätzen vorgesehen. Dem Interessenausgleich war eine Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer beigefügt. Auf ihr befand sich auch der Name des Klägers. Die Namensliste wurde gemäß dem Interessenausgleich anhand von Auswahllisten für die jeweiligen Vergleichbarkeitsgruppen unter Anwendung eines Punktesystems (Ziffer B. II. 3.5 des Interessenausgleichs) und unter Berücksichtigung von Sonderkündigungsschutzrechten erstellt. Ziffer B. II. 3.3 des Interessenausgleichs sieht die Bildung von Altersstufen für die jeweiligen Vergleichsgruppen vor. Von den Kündigungen sollten die Angehörigen dieser Altersstufen möglichst entsprechend ihrem Anteil an der bestehenden Altersstruktur des Betriebes betroffen sein. Dies sollte nach dem in der Vereinbarung erklärten Willen der Betriebsparteien der Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur dienen.

Der Kläger hat den Beklagten aufgefordert, die Gründe mitzuteilen, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben, und ausgeführt, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt. Der Beklagte sei seiner Verpflichtung, das Zustandekommen der Vergleichsgruppen zu erläutern, nicht nachgekommen. Diese und die Altersgruppen seien nicht sachgerecht gebildet worden; die Altersgruppenbildung stelle eine Benachteiligung wegen des Alters dar. Der Interessenausgleich mit Namensliste sei nicht formgerecht zustande gekommen; ferner habe sich die Sachlage nach seinem Zustandekommen wesentlich geändert, weil die in Aussicht genommene Transfergesellschaft nicht gegründet worden sei. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats hat der Kläger bestritten; er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei innerhalb der Sperrfrist erfolgt und auch daher unwirksam.

Soweit in der Berufungsinstanz von Belang, hat der Kläger beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 21. April 2009 nicht beendet worden ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat unter Vorlage von Kopien der Massenentlassungsanzeige (Anlage 18) und des Bescheides der Agentur für Arbeit (Anlage 19) behauptet, die Massenentlassungsanzeige ordnungsgemäß angebracht zu haben. Zur Bildung der Vergleichbarkeitsgruppen hat er ausgeführt, der Kläger sei als einer von 398 geringer qualifizierten Beschäftigten in die sogenannte große Vergleichbarkeitsgruppe eingereiht worden, die mehrere Kostenstellen erfasse. Sodann sei eine Auswahlliste mit Altersgruppen gebildet worden. Die Einordnung in verschiedene Vergleichbarkeitsgruppen entspreche der unterschiedlichen Wertigkeit der Tätigkeit und den verschiedenen Tätigkeitsgebieten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 1. Oktober 2009, dort insbesondere Bl. 45 bis 47 d. A., und vom 17. Dezember 2009 (Bl. 60 bis 62 d. A.) verwiesen. Von der im Interessenausgleich grundsätzlich vorgesehenen Möglichkeit, Arbeitnehmer aufgrund ihrer besonderen Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen aus der sozialen Auswahl herauszunehmen, sei in keinem einzigen Fall Gebrauch gemacht worden. Der Kläger sei „Messtechniker II” gewesen; in seiner Vergleichbarkeitsgruppe befinde sich der Kläger an 7. Stelle bei sieben zu kündigenden Arbeitnehmern.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Die Anforderungen des § 17 KSchG seien erfüllt. Der Beklagte habe die Tatsachengrundla...

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