Entscheidungsstichwort (Thema)
betriebsbedingt, Kündigung, Insolvenz, Eigenverwaltung, Sozialauswahl, Interessenausgleich, Namensliste, abteilungsbezogen, betriebsbezogen, grob fehlerhaft,. Grob fehlerhafte Namensliste bei abteilungsbezogener Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Beklagte die Sozialauswahl nicht betriebsbezogen, sondern abteilungsbezogen durchgeführt, stellt dies einen groben Fehler im Sinne von § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 InsO dar.
2. Wurde der Abschluss des Interessenausgleichs zeitlich nach der Veröffentlichung der Entscheidung des BAG vom 28.1.02004, 8 AZR 391/03 abgeschlossen, durfte die Beklagte deshalb nicht darauf vertrauen, dass sie im Rahmen des Insolvenzverfahrens unbeanstandet eine abteilungs- und nicht betriebsbezogene Sozialauswahl durchführen durfte.
3. Die grob fehlerhaft durchgeführte Sozialauswahl führt jedoch nicht automatisch zur Unwirksamkeit der im Streit stehenden Kündigung. Kann objektiv festgestellt werden, dass die Sozialauswahl trotz des fehlerhaften Vorgehens des Arbeitgebers im Ergebnis zutreffend ist, ist die ausgesprochene Kündigung sozial gerechtfertigt. Dabei kann sich die Beklagte allerdings nicht auf die Privilegierung des § 125 Abs. 1 Satz 2 InsO berufen.
Normenkette
KSchG § 1; InsO §§ 125, 270
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 31.03.2006, 1 Ca 556/05, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung.
Der am 0.0.1957 geborene, verheiratete und 3 Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger ist seit dem 02.01.1985 bei der Beklagten als Terminsachbearbeiter in der Abteilung Planung und Technik (Logistik) beschäftigt und bezog zuletzt eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von 2.947,00 EUR nach der Gehaltsgruppe 4 des Lohn- und Gehaltsrahmentarifvertrages in der niedersächsischen Metallindustrie. Seine Tätigkeit beinhaltet die terminliche Steuerung der Produktion, das Ummelden von gefährdeten Aufträgen, das Ablegen von Aufträgen, das Anfordern von Nachaufträgen, die Systempflege und weitere administrative sowie andere Abteilungen unterstützende Aufgaben.
Die Beklagte stellt Leiterplatten für die Automobil- und die Telekommunikationsbranche sowie für die Industrieelektronik her. Sie unterhält Betriebe in A-Stadt mit zuletzt 589 Mitarbeitern sowie in D. Über das Vermögen der Beklagten wurde durch Beschluss vom 01.09.2005 (Bl. 10 d.A.) das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet, zum Sachwalter wurde Rechtsanwalt G. bestellt.
Die Beklagte vereinbarte mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat am 01.09.2005 mit Zustimmung des Sachwalters einen Interessenausgleich und Sozialplan mit Namensliste, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 28 – 35 d.A.). Hiernach soll die Belegschaft in A-Stadt um 240 Mitarbeiter reduziert werden. In der mit dem Interessenausgleich durch Ringlochung verbundenen Namensliste befindet sich auch der Name des Klägers (Bl. 32 d.A.). Der Sozialplan sieht eine Abfindung des Klägers in Höhe von 8.392,00 EUR vor.
Die dem Interessenausgleich beigefügte Namensliste basiert auf einer von den Betriebsparteien vorgenommenen Beschränkung der sozialen Auswahl auf die jeweilige Abteilung des betroffenen Mitarbeiters, in der dieser seinen Stammarbeitsplatz hatte. Es wurden die Mitarbeiter mit gleichem Qualifikationsniveau und gleicher Tätigkeit miteinander verglichen. Im Falle des Klägers wurde für vergleichbar angesehen der Mitarbeiter L., geboren am 0.0.1958, betriebszugehörig seit dem 15.01.1987, verheiratet, zwei Kinder.
Der Gläubigerausschuss stimmte am 05.09.2005 dem Insolvenzplanverfahren, dem Interessenausgleich und dem Sozialplan zu.
Die Tarifvertragsparteien schlossen ferner einen Sanierungstarifvertrag ab, der unter anderem einen mehrjährigen Verzicht auf die tariflichen Sonderzahlungen und Entgeltkürzungen als Sanierungsbeiträge der Beschäftigten vorsieht.
Die Beklagte zeigte mit Schreiben vom 06.09.2005 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit die geplante Entlassung von 203 Mitarbeitern in der Zeit vom 26.09.2005 bis zum 30.09.2005 an. Die Bundesagentur für Arbeit bestätigte den Eingang einer rechtswirksamen Anzeige nach § 17 KSchG unter dem 21.09.2005 (Bl. 39 d.A.).
Mit Schreiben vom 20.09.2005 (Bl. 36, 37 d.A.) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung des Klägers an. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung unter dem 22.09.2005 (Bl. 38 d.A.) zu.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit einem dem Kläger am 27.09.2005 zugegangenen Schreiben vom 26.09.2005 zum 31.12.2005 (Bl. 9 d.A.). Der Kläger wurde wie auch die anderen entlassenen Arbeitnehmer mit sofortiger Wirkung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt.
71 von einer Kündigung betroffene Mitarbeiter wechselten in die im Sozialplan genannte Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft. ...