Entscheidungsstichwort (Thema)
Parallelentscheidung zu LAG Niedersachsen 5 Sa 459/20 v. 19.11.2020
Leitsatz (amtlich)
Hat eine Tarifnorm keinen Anwendungsbereich, kann sie niemals Grundlage für einen Anspruch aus Gleichbehandlung sein. Jede andere Sichtweise ist unlogisch und weltfremd.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; MTV Nds. Metallindustrie Bezirk Küste § 7 Abschn. 1.2; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Entscheidung vom 17.02.2020; Aktenzeichen 4 Ca 137/19) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 17.02.2020 -4 Ca 137/19 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen mit Ausnahme der Anträge zu Ziffern 3 und 4 des Schriftsatzes vom 16.11.2020 und mit Ausnahme der Klageerweiterung für den Monat April 2020 aus diesem Schriftsatz.
Insoweit wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe tariflicher Nachtarbeitszuschläge, wobei als Vorfrage problematisch ist, ob die Differenzierung innerhalb des Tarifvertrages gleichheitswidrig ist.
Der Kläger ist seit mehreren Jahren bei der Beklagten als Arbeitnehmer tätig. Kraft einzelvertraglicher in Bezugnahme findet der Manteltarifvertrag für die Metallindustrie Bezirk Küste Anwendung. Bis zur Änderung der tarifvertraglichen Vorschriften am 01.04.2020 war für den hier einschlägigen Bezirk D-Stadt unter § 7 in Abschnitt 1.2 die Höhe der Nachtarbeitszuschläge wie folgt geregelt:
"1.2 Nachtarbeit
a. regelmäßige Nachtarbeit (mindestens eine Arbeitswoche oder regelmäßig wiederkehrend) |
15% |
b. unregelmäßige Nachtarbeit |
30% |
c. Nachtarbeit, soweit nicht unregelmäßig bzw. regelmäßige Nacht- oder Nachtschichtarbeit vorliegt |
50%" |
§ 7 Ziffer 3 regelte wörtlich folgendes:
"3 mehrere Zuschläge:
Treffen mehrere Zuschläge zusammen, so ist nur der jeweils höhere Zuschlag zu zahlen. Ausgenommen hiervon ist in Schichtbetrieben der Zuschlag für regelmäßige Nachtarbeit, der neben den Zuschlägen für Mehrarbeit an Sonn- und Feiertagen gezahlt wird."
Die Beklagte ist produzierend im Schichtsystem tätig. Der Kläger nimmt an dem Schichtsystem teil und ist in der sog. Kontischicht tätig. Dort setzt die Beklagte die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer ein. In dieser Kontischichtproduktion wird bei einem 12-Wochen-Rhythmus an 14 Tagen in Frühschicht mit einem Nachtarbeitszuschlagsanteil von 0,75 Stunden zu 15% pro Tag gearbeitet. 21 Tage werden in Spätschicht abgeleistet mit einem Nachtarbeitszuschlagsanteil von 0,25 Stunden zu 15% pro Tag. 21 Tage werden in Nachtschicht mit einem Nachtschichtnachtarbeitszuschlagsanteil von 7,5 'Stunden zu 15% pro Tag abgeleistet. Der maßgebende Tarifvertrag definierte in dem streitgegenständlichen Zeitraum die Nachtarbeit wie folgt: "Nachtarbeit: Als Nachtarbeit gilt die Zeit von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr."
Der Kläger war aufgrund des Schichtsystems in dem Zeitraum von Oktober 2018 bis April 2020 weit überwiegend innerhalb des Schichtsystems während der im Tarifvertrag definierten Nachtzeiten tätig. Hierfür erhielt er weit überwiegend einen Nachtarbeitszuschlag von 15%, teilweise jedoch in geringem Ausmaß 30%.
Mit seiner Klage hat er für den Zeitraum von Oktober 2018 bis November 2019 5.060,69 EUR brutto als Differenz zwischen den erhaltenen Nachtzuschlägen und den begehrten Nachtzuschlägen in Höhe von 50% geltend gemacht, sowie allgemein die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung eines Nachtzuschlages in Höhe von 50% und die Verzugspauschale geltend gemacht.
Er hat die Auffassung vertreten, die tarifvertragliche Differenzierung hinsichtlich der Höhe der Zuschläge für Nachtarbeit sei wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Abs. 1 GG unwirksam, es habe eine Anpassung nach oben zu erfolgen, und ihm ständen nicht nur 15% oder 30%, sondern 50% Nachtarbeitszuschläge zu.
Der Kläger hat beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, an ihn EUR 5.060,69 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf EUR 319,82 seit dem 01.12.2018, auf EUR 442, 13 seit dem 01.01.2019, auf EUR 211,82 seit dem 01.02.2019, auf EUR 337,03 seit dem 01.03.2019, auf EUR 386,44 seit dem 01.04.2019, auf EUR 381,11 seit dem 01.05.2019, auf EUR 570,45 seit dem 01.06.2019, auf EUR 534,45 seit dem 01.07.2019, auf EUR 383,95 seit dem 01.08.2019, auf EUR 271,72 seit dem 01.09.2019, auf EUR 474,14 seit dem 01.10.2019, auf EUR 311,02 seit dem 01.11.2019, auf EUR 188,34 seit dem 01.12.2019 und auf EUR 248,27 seit dem 01.01.2020 zu zahlen.
2) Es wird festgestellt, dass die Beklagte unter Geltung von § 7 des Manteltarifvertrags Nordwestliches Niedersachsen (Bezirksgruppe NordWest) zwischen D. Verband der Metall- und Elektroindustrie e.V. Hamburg und der IG Metall Bezirk Küste, Hamburg in der Fassung vom 03.07.2008 verpflichtet ist, an den Kläger für geleistete Nachtarbeit, also Arbeit in der Zeit von 21.00 Uhr bis 06.00 Uhr, einen Nachtzuschlag in Höhe von 50 % des Stundenlohnes pro geleisteter Stunde zu zahlen.
3) Die Beklagte wird verurteilt, an ihn EUR 560,00 nebst Zinsen i...