Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsausbildung. Ausbildungsstätte. Ausbildungsvergütung. Tarifauslegung
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der „andern Ausbildungsstätte” im Sinne des § 4 Ziffer 1 des Tarifvertrages über die Berufsausbildung im Baugewerbe. Eine allgemeinbildende Schule – hier Gymnasium – erfüllt nicht den Begriff der „anderen Ausbildungsstätte” nach § 4 Abs. 1 BBTV.
Normenkette
BBiG § 29 Abs. 1-2; BBTV Ausbildungsvergütung § 4
Verfahrensgang
ArbG Braunschweig (Urteil vom 15.02.2002; Aktenzeichen 7 Ca 654/01) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 15.02.2002 – 7 Ca 654/01 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf restliche Ausbildungsvergütung.
Der Kläger befand sich bei der Beklagten in der Zeit vom 01.08.1999 bis zum 31.07.2001 in einer Berufsausbildung zum Zimmerer. Die regelmäßige Ausbildungszeit beträgt 3 Jahre. Da der Kläger das Abitur abgelegt hatte, wurde die Ausbildungszeit um 12 Monate verkürzt. Die Handwerkskammer … gestattete diese Verkürzung gem. § 29 Abs. 2 BBiG. Auf das Ausbildungsverhältnis kommt der Tarifvertrag über die Berufsausbildung im Baugewerbe (BBTV) kraft beiderseitiger Tarifbindung zur Anwendung.
Nach diesem Tarifvertrag staffelt sich die Ausbildungsvergütung nach dem Fortschritt der Ausbildung. Sie steigt erstmals nach 12 Monaten und ein weiteres Mal nach weiteren 12 Monaten Berufsausbildung. Da die Berufsausbildung des Klägers insgesamt nur 24 Monate betrug, vereinbarten die Parteien des Ausbildungsverhältnisses in Ziff. 8 des Ausbildungsvertrages die 1. Vergütungserhöhung bereits nach 8 Monaten zu gewähren, so dass der Kläger von da an Vergütung des 2. Ausbildungsjahres erhielt. Die nächste Erhöhung wurde nach weiteren 8 Monaten gewährt, so dass der Kläger nach insgesamt 16-monatiger Ausbildung bereits Vergütung für das 3. Ausbildungsjahr erhielt.
§ 4 des BBTV regelt die „Ausbildungsvergütung bei Anrechnung anderer Ausbildungszeit”. Er hat folgenden Wortlaut:
(1.)
Hat der Auszubildende eine berufsbildende Schule besucht, so ist ihm die Ausbildungsvergütung für dasjenige Ausbildungsjahr zu zahlen, das sich aufgrund der Anrechnung dieser Ausbildungszeit nach der Anrechnungsverordnung vom 17. Juli 1978 in der jeweils geltenden Fassung ergibt. Das gleiche gilt, wenn der Auszubildende eine andere Ausbildungsstätte besucht hat und daher seine Ausbildungszeit verkürzt wird.
(2.)
Werden dem Auszubildenden aufgrund einer vorherigen Berufsausbildung Ausbildungszeiten angerechnet, so gilt Abs. 1 Satz 1 entsprechend.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde seit Beginn der Ausbildung bereits die Vergütung für das 2. Ausbildungsjahr und nach einem weiteren Jahr die für das 3. Ausbildungsjahr zu.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.284,80 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit 21.09.2001 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben die Auffassung vertreten, ein Gymnasium stelle keine „andere Ausbildungsstätte” im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 BBTV dar, die zu einem Anspruch auf Ausbildungsvergütung in Höhe des 2. Ausbildungsjahres bereits mit Beginn der Ausbildung führe, denn im Rahmen der gymnasialen Ausbildung würden nicht die Inhalte des 1. Ausbildungsjahres des Zimmererhandwerks vermittelt.
Das Arbeitsgericht hat durch sein Urteil vom 15.02.2002 die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Verkürzung der Ausbildungszeit gem. § 29 Abs. 2 BBiG führe nicht zu einer fiktiven Vorverlegung des Ausbildungsbeginns. Alle Ausbildungsinhalte müssten, wenn auch in konzentrierter Form, vermittelt werden. § 4 Abs. 1 Satz 2 BBTV führe nur dann zu einer Vorverlegung des Ausbildungsbeginnes mit der Rechtsfolge der höheren Ausbildungsvergütung, wenn der Kläger eine andere Ausbildungsstätte besucht hätte, in der berufsbezogene und für die vorgesehene Ausbildung sinnvoll verwertbare Teilbereiche des Wissens vermittelt würden. Dies sei durch den Besuch des Gymnasiums nicht geschehen.
Der Kläger hat gegen das am 27.02.2002 zugestellte Urteil am 20.03.2002 Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 14.06.2002 am 13.06.2002 begründet hat.
Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, unter dem Begriff der anderen Ausbildungsstätte sei auch das Gymnasium zu subsummieren. Der Tarifvertrag spreche nicht von einer anderen Berufsausbildungsstätte, sondern lediglich von anderer Ausbildungsstätte. Es komme daher nicht auf die Vermittlung besonderer ausbildungsbezogener Lehrinhalte an.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig, 7 Ca 654/01, abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 3.284,80 EUR brutto nebst 5 % Zinsen über den Basiszinssatz der EZB seit 21.09.2001 zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
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