Entscheidungsstichwort (Thema)
Restmandat des Betriebsrates. Kündigung. Niederlegung Betriebsratsamt
Leitsatz (amtlich)
Der Betriebsrat ist im Rahmen des Restmandats nach § 21 b BetrVG bei Kündigungen gemäß § 102 BetrVG zu beteiligen, sofern trotz vollzogener Betriebsstillegung noch Kündigungen auszusprechen sind.
Dabei ist es unheblich, ob die Arbeitsverhältnisse nur beshalb weiter bestanden, weil eine zuvor ausgesprochene Kündigung unwirksam war. Es kommt auch nicht darauf an, ob die zu kündigenden Arbeitnehmer zu Rest- oder Abwicklungsarbeiten eingeteilt waren.
Wenn zwei Betriebsratsmitglieder ihr Amt niederlegen wollen, reicht es nicht aus, wenn sie dies nur jeweils dem anderen gegenüber erklären. Die Amtsniederlegung muß nach außen kundgetan werden.
Normenkette
BetrBG §§ 21b, 102
Verfahrensgang
ArbG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 05.04.2006; Aktenzeichen 2 Ca 464/05) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 05.04.2006 Az.: 2 Ca 464/05 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen.
Die St. GmbH in A-Stadt (nachfolgend: Schuldnerin) befasste sich mit der Herstellung hochwertiger, farbig bebilderter Bücher. Sie unterhielt in ihrem Betrieb eine Druckerei und eine Buchbinderei, welcher die Unterabteilung Falzerei zugeordnet war. Die Schuldnerin beschäftigte ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten mehr als 20 Vollzeitarbeitnehmer. Bei ihr war ein siebenköpfiger Betriebsrat gebildet. Betriebsratsvorsitzender war der zuletzt Zeuge A..
Der am 0.0.1963 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war zunächst vom 02.10.1985 bis zum 30.11.2000 bei der Schuldnerin angestellt. Nach einer Unterbrechung war er wieder ab dem 01.10.2002 auf Grund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tage (Bl. 4 bis 7 d. A.) als Vorarbeiter in der Abteilung Falzerei beschäftigt. Der Kläger erzielte zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen in Höhe von 2.500,00 EUR.
Mit Schreiben vom 13.01.2005 erklärte die Schuldnerin gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.2005. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Oldenburg. Durch rechtskräftiges Urteil vom 27.07.2005 stellte das Arbeitsgericht Oldenburg (Az.: 2 Ca 50/05) die Unwirksamkeit der Kündigung fest (Bl. 105 f. d. A.).
Bis zum 05.06.2005 beabsichtigten die Geschäftsleitung der Schuldnerin und der Beklagte, der zu diesem Zeitpunkt vorläufiger Insolvenzverwalter war, den Betrieb fortzuführen. Am 06.06.2005 fand eine Betriebsversammlung bei der Schuldnerin statt. Am gleichen Tage teilte der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende K. dem Geschäftsführer der Schuldnerin und dem Beklagten mit, dass die gesamten Mitarbeiter des Vertriebes für eine Betriebsfortführung nicht mehr zur Verfügung stünden. In den folgenden Tagen erklärten Mitarbeiter der Schuldnerin fristlose Eigenkündigungen.
Mit Ausnahme des Zeugen A. schieden auch alle Betriebsratsmitglieder bis zum 30.06.2005 aus dem Betrieb der Schuldnerin aus:
Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende K. kündigte am 08.06.2005 fristlos (Bl. 114 d. A.); das Betriebsratsmitglied F. kündigte am 06.06.2005 fristlos (Bl. 115 d. A.); das Betriebsratsmitglied H. kündigte am 08.06.2005 zum 10.06.2005 (Bl. 116 d. A.); das Betriebsratsmitglied Sch. kündigte am 07.06.2005 fristlos (Bl. 120 d. A.); das Betriebsratsmitglied J. hatte betreits am 03.06.2005 zum 07.06.2005 gekündigt (Bl. 117 d. A.). Das Betriebsratsmitglied K. hatte zunächst am 07.06.2005 eine fristlose Eigenkündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt. Anschließend vereinbarte er mit der Schuldnerin und dem Beklagten, dass das Arbeitsverhältnis nicht am 07.06.2005, sondern im gegenseitigen Einvernehmen erst am 30.06.2005 endet (Bl. 118, 119 d. A.).
Mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 01.08.2005 (Az.: 68 IN 46/05) wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (Bl. 21 d. A.).
Soweit keine Eigenkündigungen vorlagen, kündigte der Beklagte die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter der Schuldnerin und stellte sie von ihrer Arbeitsleistung frei. Gegenüber dem Zeugen A. erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 01.08.2005 die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.11.2005.
Mit Schreiben vom 01.08.2005 kündigte der Beklagte dem Kläger zum 30.09.2005. Darin heißt es u. a. (Bl. 8, 9 d.A):
„Sehr geehrter Herr E.,
durch Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 01.08.2005 ist über das Vermögen der St. GmbH, A.straße 72 – 74, 26123 A-Stadt das Insolvenzverfahren eröffnet und der Unterzeichnete zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
Die Betriebstätigkeit der Schuldnerin wurde eingestellt.
Sie haben durch die Schuldnerin bereits die Kündigung erhalten. Für den Fall der Rechtsunwirksamkeit dieser Kündigung bin ich gehalten,...