Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbedürfnis beim Zustimmungsersetzungsantrag gem. § 99 Abs. 4 BetrVG. Ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats vor personellen Einzelmaßnahmen durch den Arbeitgeber. Keine Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit an Betriebsratsmitglieder

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrats über eine Versetzungsmaßnahme gehört die Information, wie sich dies auf die Arbeitnehmer in der bisherigen und in der neuen Abteilung auswirkt. Ohne eine solche Information läuft die Frist des § 99 Abs. 3 BetrVG nicht an. Der Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist dann zurückzuweisen.

2. Der Betriebsrat kann die Zustimmung zur Versetzung eines Betriebsratsmitglieds auf einen nicht gleichwertigen Arbeitsplatz im Rahmen des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG wegen Verletzung des § 37 Abs. 5 BetrVG verweigern.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Zustimmungsersetzungsantrag nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt voraus, dass der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der vom Arbeitgeber beabsichtigten personellen Einzelmaßnahme hat und der Arbeitgeber daher der Zustimmung des Betriebsrats bedarf.

2. Voraussetzung für die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber i.S.d. § 99 Abs. Satz 1 BetrVG. Danach hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme mit Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu informieren. Fehlt es daran, läuft die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 BetrVG nicht an.

3. Die Vorschrift des § 37 Abs. 5 BetrVG verbietet dem Arbeitgeber, dem Betriebsratsmitglied eine geringerwertige Tätigkeit zuzuweisen - von der Ausnahme der zwingenden betrieblichen Notwendigkeit abgesehen. Die Zuweisung einer geringerwertigen Tätigkeit ist immer auch eine Versetzung i.S.d. § 95 Abs. 3 BetrVG. Damit verbietet § 37 Abs. 5 BetrVG die Versetzungsmaßnahme als solche. Der Betriebsrat kann seinen Widerspruch hierauf stützen

 

Normenkette

BetrVG § 37 Abs. 5, §§ 99-100, 95 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 07.08.2018; Aktenzeichen 10 BV 1/18)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Würzburg - Kammer Aschaffenburg - vom 07.08.2018, Az. 10 BV 1/18, wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Zustimmung des zu 2) beteiligten Betriebsrats zur Versetzung des Mitarbeiters J... von der Funktion eines Betriebsschlossers in die Funktion eines Produktionsmitarbeiters zu ersetzen ist und ob die vorläufige Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich war.

Der Beteiligte zu 2) ist der im Betrieb A... der Antragstellerin gebildete Betriebsrat. Der Betrieb wurde Ende 2017 vom Standort L... nach A... verlegt. Hierbei wurden zahlreiche Betriebsmittel in L... abgebaut bzw. abgebrochen.

Herr J... ist ausgebildeter Schlosser und bei der Antragstellerin seit 01.12.2001 beschäftigt, zuletzt als Schichtschlosser in der Lohngruppe E06/3. Als solchem oblagen ihm insbesondere Instandhaltungsarbeiten. Er erlitt seit 2013 insgesamt sechs Arbeitsunfälle, davon zwei im Oktober bzw. November 2017. Wegen der Einzelheiten wird auf die Übersicht auf Blatt 21 der Akten verwiesen.

Die Tätigkeit eines Mitarbeiters in der Produktion ist niedriger eingruppiert und enthält ein geringeres Gefährdungspotenzial als die Tätigkeit als Instandhaltungsmitarbeiter.

Mit Schreiben vom 23 11.2017 teilte die Antragstellerin dem Betriebsrat mit, dass die Versetzung des Herrn J... von seiner bisherigen Tätigkeit als Schichtschlosser in die neue Tätigkeit als Produktionsmitarbeiter zur Unterstützung in der Gleisschwellenproduktion unter Fortführung der Lohngruppe E06/3 beabsichtigt sei und bat den Betriebsrat um Zustimmung. Wegen der Einzelheiten des Anhörungsschreibens wird auf Blatt 11 der Akte Bezug genommen. Das Anhörungsschreiben ging dem Betriebsrat am 06.12.2017 zu.

Mit Schreiben vom 11.12.2017 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 12 der Akten verwiesen. Mit Schreiben vom 02.01.2018 unterrichtete die Antragstellerin den Betriebsrat über die Durchführung der Versetzung als vorläufige personelle Maßnahme nach § 100 BetrVG (Blatt 13 der Akten). Mit Schreiben vom 05.01.2018 verweigerte der Betriebsrat die Zustimmung zur beabsichtigten Versetzung und bestritt gemäß § 100 BetrVG, dass die sofortige Durchführung der Versetzung aus sachlichen Gründen dringend erforderlich sei (Blatt 14 der Akten).

Herr J... war bis zur Neuwahl des Betriebsrats Ende 2018 dessen stellvertretender Vorsitzender. Er wurde erneut in den Betriebsrat gewählt und ist nunmehr einfaches Mitglied.

Wegen eines Verfahrens auf Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung ist Herr J... zur Zeit widerruflich von der Arbeitsleistung freigestellt.

Hinsichtlich des Vortrags der Beteiligten in 1. Instanz sowie a...

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