Entscheidungsstichwort (Thema)

Festsetzung des Gegenstandswertes. Zustimmungsersetzung, Feststellungen gem. § 100 Abs. 2 S. 3 BetrVG. Sonstiges. Gegenstandswertfestsetzung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei der Festsetzung des Gegenstandswertes mehrerer in einem Verfahren beantragter Zustimmungsersetzungen gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG und Feststellungen gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG sind die wirtschaftlichen Auswirkungen und verfahrensrechtlichen Besonderheiten ausreichend zu berücksichtigen. Dies führt bei nur kurzzeitigen personellen Einzelmaßnahmen zu einer deutlichen Reduzierung des Hilfswertes in § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG pro Einzelmaßnahme (bis zu 1/8 bzw. 1/16).

 

Normenkette

RVG § 33; BetrVG §§ 99-100

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 10.05.2005; Aktenzeichen 12 BV 151/04)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 10.05.2005, Az.: 12 BV 151/04, teilweise abgeändert:

Der Gegenstandswert für die Gebührenberechnung wird auf EUR 6.750,– festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 29.10.2005 beantragt, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Einstellung von 7 Vertretungskräften für die Dauer von jeweils etwa einer Woche und zu zwei damit in Verbindung stehender kurzzeitiger Versetzungen zu ersetzen. Sie hat ferner die Feststellung begehrt, dass die erfolgten vorläufigen Einstellungen und Versetzungen aus zeitlichen Gründen dringend erforderlich waren.

Nach Beendigung der personellen Maßnahmen und beidseitiger Erledigterklärung ist das Beschlussverfahren noch vor Durchführung einer Anhörung vor der Kammer gemäß § 83a Abs. 2 ArbGG eingestellt worden.

Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert zum Zwecke der anwaltlichen Gebührenberechnung durch Beschluss vom 10.05.2005 auf EUR 27.000,– festgesetzt.

Gegen diesen ihr am 12.05.2005 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit dem am 19.05.2005 beim Arbeitsgericht Nürnberg eingegangenen Schriftsatz vom 13.05.2005 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführerin hält unter Berücksichtigung des tatsächlichen Verdienstes der nur kurzzeitig beschäftigten Mitarbeiter einen Gegenstandswert von lediglich EUR 1.689,68 für sachgerecht.

Das Erstgericht hat mit Beschluss vom 30.06.2005 der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Sie ist statthaft, § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die der anwaltlichen Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist. Das Erstgericht verwendete zwar einen nach Inkrafttreten des RVG veralteten Textvordruck, doch lässt der Hinweis auf die frühere Regelung des § 10 BRAGO erkennen, dass eine Wertfestsetzung i.d.R. § 33 Abs. 1 RVG erfolgen sollte.

Beschwerdeberechtigt ist die erstattungspflichtige Antragstellerin gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 RVG.

Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt EUR 200,–, denn bereits die einfache Gebührendifferenz zwischen dem festgesetzten und dem begehrten Gebührenstreitwert beträgt nach der Anlage 2 zum RVG EUR 625,–.

2. Die Beschwerde ist nur zum Teil begründet.

a) Die vom Erstgericht bei der Gegenstandswertfestsetzung zu treffende Ermessensentscheidung erfolgte nicht fehlerfrei, denn es hat bei der gebührenrechtlichen Bewertung der Ersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 und der Feststellungsverfahren gemäß § 100 Abs. 2 Satz 3 BetrVG nicht alle Umstände ausreichend berücksichtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Beschwerdegerichts kann die Ermessensentscheidung des Erstgerichts nur auf Ermessensfehler überprüft werden, wohingegen das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (so LAG Nürnberg vom 05.05.1986 – 1 Ta 3/85 – LAGE Nr. 53 zu § 12 ArbGG 1979 Streitwert, vom 07.04.1999 – 6 Ta 61/99 – NZA 1999 840; vom 27.11.2003 – 9 Ta 154/03 – AR-Blattei ES 160.13 Nr. 256).

Das Erstgericht geht in der Nichtabhilfeentscheidung vom 30.06.2005 zutreffend davon aus, dass es sich bei Beschlussverfahren nach den §§ 99, 100 BetrVG um nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten i.S.d. § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG handelt und die gebührenrechtliche Bewertung nach dieser Vorschrift vorzunehmen ist. Insoweit kann auf die zur Vorgängerregelung (§ 8 Abs. 2 Satz 2 BRAGO) ergangene Rechtsprechung verwiesen werden (vgl. LAG Bremen vom 19.07.2001 – 4 Ta 33/01 – LAGE Nr. 51 zu § 8 BRAGO; LAG Berlin vom 21.10.2002 – 17 Ta (Kost) 6085/02 – NZA-RR 2003, 383; LAG Berlin vom 18.03.2003 – 17 Ta (Kost) 6009/03 – NZA 2004, 342). Im Streit stehen das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates und die von ihm herangezogenen Zustimmungsverweigerungsgründe. Dieser Streitgegenstand ist nicht unmittelbar abhängig von der Dauer des individualrechtlichen Arbeitsverhältnisses und der Höhe des konkret zu zahlenden Gehalts. Dies schon deshalb, da die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages des einzustellenden Arbeitnehmers nicht von der Zustimmung des Betriebsrats abhäng...

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