Entscheidungsstichwort (Thema)

Vergleich. Prozesskostenhilfeantrag. Widerrufsverzicht

 

Leitsatz (amtlich)

Enthält der selbe Schriftsatz sowohl einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts als auch einen Verzicht auf ein in einem Vergleich vereinbartes Widerrufsrecht, fallen die Antragstellung und die Beendigung des Verfahrens zeitlich zusammen mit der Folge, dass Prozesskostenhilfe nicht mehr bewilligt werden kann. Wird gleichwohl Prozesskostenhilfe bewilligt und der Partei ein Rechtsanwalt zur Vertretung beigeordnet, fallen wegen der Beendigung des Verfahrens keine gebührenauslösenden Tätigkeiten mehr an, die aus der Staatskasse zu zahlen wären.

 

Normenkette

ZPO §§ 117, 119; RVG §§ 48, 55

 

Verfahrensgang

ArbG Weiden (Beschluss vom 04.06.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1241/08)

ArbG Weiden (Beschluss vom 01.12.2008; Aktenzeichen 1 Ca 1241/08)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Bezirksrevisors vom 18.06.2010 werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Weiden vom 01.12.2008 und 04.06.2010 abgeändert.

2. Der Vergütungsfestsetzungsantrag des Rechtsanwalts J. vom 24.11.2008 wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin erhob am 19.09.2008 Klage gegen eine ihr am 01.09.2008 erklärte Kündigung. Am 08.10.208 erweiterte die Klägerin ihre Klage um Vergütungs- und Urlaubsabgeltungsansprüche in Höhe von insgesamt 6.194,38 EUR brutto.

In der Gütesitzung am 16.10.2008 schlossen die Parteien einen für die Klägerin widerruflichen Vergleich. Der Klägerin wurde darin eine Widerrufsfrist bis 30.10.2008 eingeräumt.

Mit Schriftsatz ihres Prozessvertreters vom 30.10.2008, der am selben Tag beim Arbeitsgericht Weiden einging, teilte die Klägerin mit, der Vergleich werde nicht widerrufen, und beantragte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt J..

Mit Beschluss vom 12.11.2008 bewilligte das Erstgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe ab 30.10.2008 und ordnete ihr Herr Rechtsanwalt J. bei.

Der Streitwert wurde am 20.11.2008 auf 11.144,38 EUR festgesetzt.

Auf Antrag des Klägerinvertreters setzte das Arbeitsgericht Weiden mit Beschluss vom 01.12.2008 die zu gewährende Vergütung auf 697,10 EUR fest.

Der Betrag setzt sich zusammen aus einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG (319,80 EUR), einer Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG (245,00 EUR), der Auslagenpauschale (20,00 EUR) und der auf den Gesamtbetrag entfallenden Mehrwertsteuer.

Der Bezirksrevisor legte gegen den Beschluss vom 01.12.2008 am 08.03.2010 Erinnerung ein.

Der Erinnerung wurde nicht abgeholfen. Mit Beschluss vom 04.06.2010 wies das Erstgericht die Erinnerung zurück. Der Beschluss wurde dem Bezirksrevisor am 17.06.2010 zugestellt.

Der Bezirkrevisor legte am 18.06.2010 gegen den Beschluss Beschwerde ein.

Er macht geltend, nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe sei kein gebührenauslösender Tatbestand mehr verwirklicht worden. Es komme allenfalls eine Verfahrensgebühr nach VV 3101 Ziffer 1 RVG in Betracht.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 56 Absatz 1, Absatz 2, 33 Absatz 3 und 7 RVG. Der Beschwerdewert übersteigt 200,00 EUR.

Die Beschwerde ist begründet.

Der Prozessvertreter der Klägerin hat gegenüber der Staatskasse weder einen Anspruch auf eine Verfahrensgebühr nach VV Nr. 3100 RVG noch auf eine Einigungsgebühr gemäß VV Nr. 1000 RVG.

Der Klägerin ist zwar mit Beschluss vom 12.11.2008 Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt J. als Prozessvertreter beigeordnet worden.

Es bestehen bereits Zweifel daran, ob der Klägerin noch Prozesskostenhilfe bewilligt werden durfte.

Prozesskostenhilfe kann nur bewilligt werden, solange die Instanz oder das Verfahren noch nicht abgeschlossen sind (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Auflage, RdNr. 2b zu § 117). Eine Beendigung des Verfahrens liegt u.a. dann vor, wenn die Parteien einen Vergleich geschlossen haben. Ist dieser Vergleich widerruflich, endet das Verfahren, wenn ein Widerruf nicht erfolgt, mit Ablauf des Tages, an dem die Widerrufsfrist endet. Dem steht gleich, wenn der zum Widerruf Berechtigte auf das Recht zum Widerruf verzichtet.

Vorliegend fallen die Beendigung des Verfahrens sowie der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zusammen. Der Prozessvertreter der Klägerin hat in dem selben Schriftsatz, in dem auch der Prozesskostenhilfeantrag gestellt wurde, erklärt, der Vergleich werde nicht widerrufen. Darin liegt ein Verzicht auf das der Klägerin eingeräumte Widerrufsrecht. Nachdem beide Erklärungen gleichzeitig bei Gericht eingegangen sind, fallen der Zeitpunkt der Antragstellung und der Beendigung des Verfahrens zusammen.

Letztlich kann vorliegend dahinstehen, ob der Klägerin noch Prozesskostenhilfe bewilligt werden durfte.

Das Arbeitsgericht hat einen entsprechenden Beschluss gefasst. Dieser ist bindend (vgl. Zöller, Zivilprozessordnung, 28. Auflage, RdNr. 49, 50 zu § 119).

Der beigeordnete Rechtsanwalt erhält aus der Staatskasse alle, aber auch nur die Gebühren, die nach Eingang des Antr...

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