Revision eingelegt – 1 AZR 503/03
Entscheidungsstichwort (Thema)
sonstiges. Auslegung eines Sozialplans. Sozialplanabfindung. Eigenkündigung des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Nimmt ein Sozialplan Arbeitnehmer, die eine Eigenkündigung aussprechen, von der Gewährung von Sozialplanleistungen aus, sofern der Eigenkündigung „Gründe zwingender Weiterbeschäftigung entgegenstehen”, muss der Arbeitgeber sowohl ein fortbestehendes zwingendes Beschäftigungsbedürfnis, wie auch substantiiert Gründe in der Person des Arbeitnehmers darlegen.
2. Eine Sozialplanabfindung kann auch bereits vor ihrer Fälligkeit geltend gemacht werden. Eine Ablehnung vor Geltendmachung setzt eine Ausschlussfrist nicht in Gang.
Normenkette
BetrVG § 112; TVG § 1 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Würzburg (Aktenzeichen 5 Ca 784/02 A) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Würzburg – Kammer Aschaffenburg, Az.: 5 Ca 784/02 A, in Ziffern 1 und 2 teilweise abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von EUR 22.035,51 (i.W.: Euro Zweiundzwanzigtausendfünfunddreißig 51/100) brutto gemäß § 3 EStG zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 % aus EUR 22.035,51 (i.W.: Euro Zweiundzwanzigtausendfünfunddreißig 51/100) seit dem 01.10.2000 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
4. Von den kosten des Verfahrens 1. Instanz tragen der Kläger 2/15, die Beklagte 13/15. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
5. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zahlung einer Sozialplanabfindung und hier sowohl generell darum, ob dem Kläger nach dem Sozialplan eine solche Abfindung zusteht, bzw. ob ein zustehender Sozialplananspruch verfallen sei.
Der Kläger war bei der Beklagten vom 01.09.1975 bis 30.09.2000, zuletzt in einer Abteilung der Beklagten „Pilotbau”, tätig.
Am 19.03.1998 wurde zwischen der Beklagten und der IG-Metall ein Werktarifvertrag „Anerkennungstarifvertrag” mit Ergänzung vom 30.06.1999 geschlossen, wonach die Tarifverträge in der Bayerischen Metallindustrie auf „alle Arbeitnehmer” der Beklagten Anwendung finden.
Die Lohnabrechnung für Juli 1999 enthielt die Ergebnisse aus den abschließenden Verhandlungen zum Anerkennungstarifvertrag in Form der entsprechenden Lohnerhöhungen.
Der Manteltarifvertrag, für die gewerblichen Arbeitnehmer der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie enthält in § 28 Nr. 3 eine Ausschlussfrist die – soweit vorliegend von Interesse – wie folgt lautet:
(I) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis sind wie folgt schriftlich geltend zu machen.
- …
- alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit.
Die Geltendmachung ist vom Arbeitgeber schrittlich zu bestätigen.
(II) …
(III) Ist ein Anspruch rechtzeitig erhoben und lehnt der Arbeitgeber seine Erfüllung ab, so hat der Arbeitnehmer den Anspruch innerhalb von sechs Monaten nach Ablehnung durch den Arbeitgeber gerichtlich, geltend zu machen. Eine spätere Geltendmachung ist ausgeschlossen.
Unter dem Datum des 15.09.1999 wurde zwischen dem Betriebsrat der Beklagten und der Beklagten ein Interessenausgleich geschlossen (Blatt 7 mit 10 der Akte) mit Gültigkeitsdauer vom 01.04.1999 bis 31.12.2000, bzw. einer Nachwirkung, falls die im Interessenausgleich ausgeführten Restrukturierungsmaßnahmen bis 31.12.2000 noch nicht abgeschlossen sind.
Nach § 2 dieses Interessenausgleichs wird der bisherige „Pilotbau” aufgelöst. Die dort bisher erstellten Muster und Prototypen werden zukünftig im Musterbau angefertigt, die Vorserienfertigung in den Bereich Montage verlagert. Von dieser Maßnahme sind fünf Arbeitsplätze betroffen, drei Arbeitsplätze entfallen.
In einem als „Sideletter” bezeichneten Papier vom 28.09.1999 zum Interessenausgleich ist u.a. ausgeführt, dass sich der Gegenstand des § 2 des Interessenausgleichs erledigt, sofern die Restrukturierungsmaßnahme, nämlich die Umorganisation mit der Folge des Wegfalls von maximal 146 Arbeitsplätzen biö 31.12.2000 abgeschlossen ist. Die Regelungen zur Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen Strukturkurzarbeit und Sozialplan treten nach vollständigem Abschluss außer Kraft.
Ebenfalls unter dem Datum des 15.09.1999 wurde zwischen der Beklagten und deren Betriebsrat ein Sozialplan abgeschlossen (Blatt 11 mit 14 der Akte), wonach gemäß § 6 Arbeitnehmer, die bei der Beklagten ausscheiden, eine, Abfindung erhalten, mit Ausnahme der in § 7 genannten Arbeitnehmer, die außerordentlich gekündigt werden, bzw. aus personen- oder verhaltensbedingten Gründen ausscheiden, bzw. befristet beschäftigt sind.
Gemäß § 3 des Sozialplans ist die so genannte natürliche Fluktuation zu, nutzen, d.h. Arbeitnehmern, die freiwillig den Betrieb verlassen möchten, ist dies unter Nutzung des Sozialplans zu ermöglichen, sofern dem nicht Gründe einer zwingenden Weiterbeschäftigung entgegenstehen. Als zwingende Gründe, gelten auch Erstattungsansprüche der Sozialvers...