Entscheidungsstichwort (Thema)
Herausnahme beurlaubter Beamter aus dem Geltungsbereich eines Sozialplans mit Abfindungsansprüchen und Kündigungsverzichtsprämien
Leitsatz (redaktionell)
1. Der auf dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beruhende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen; maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrundes ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck.
2. Die typisierende Beurteilung der Betriebsparteien, dass Beschäftigten, die zeitgleich in einem ruhenden Beamtenverhältnis zur Bundesrepublik Deutschland stehen, durch eine geplante Betriebsstilllegung keine oder sehr viel geringere wirtschaftliche Nachteile drohen als anderen Beschäftigten, ist nicht zu beanstanden, da nicht verbeamtete Beschäftigte bei genereller Betrachtung insgesamt von Arbeitslosigkeit bedroht sind, soweit sie nicht in den Ruhestand gehen oder einen Altersteilzeitvertrag abschließen.
3. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift wegen seines Schutzcharakters gegenüber der Gestaltungsmacht der Arbeitgeberin nur dort ein, wo diese durch eigenes gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem (auch vermeintlichem) Normenvollzug; nach § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG hat der Sozialplan die Wirkung einer Betriebsvereinbarung und gilt demnach unmittelbar und zwingend (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) und muss von der Arbeitgeberin nach § 77 Abs. 1 BetrVG umgesetzt werden, so dass die Arbeitgeberin mit der Durchführung des Sozialplans nur eine Norm vollzieht.
4. Die Betriebsparteien haben ebenso wie andere Normgeber einen Beurteilungsspielraum und eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der tatsächlichen Voraussetzungen und Folgen der von ihnen gesetzten Regelungen.
5. Es hält sich im Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien, im Rahmen einer Betriebsvereinbarung das Interesse der beurlaubten Beamten an einer Kündigungsschutzklage grundsätzlich geringer zu bewerten als das der übrigen Beschäftigten, da die beurlaubten Beamten nicht von Arbeitslosigkeit bedroht sind; wegen dieser Rechtssicherheit dürfen die Betriebsparteien davon ausgehen, dass beurlaubte Beamte regelmäßig keine Kündigungsschutzklage erheben werden und ein solcher "Verzicht" dann auch nicht noch zusätzlich durch eine Prämienzahlung belohnt zu werden braucht.
6. Müssen die Betriebsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Betriebsvereinbarung davon ausgehen, dass sich diejenigen Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis zu einer anderen Arbeitgeberin mangels eines früheren Beendigungstatbestandes nur ruht, ihr "Rückkehrrecht" erst gerichtlich erstreiten müssen mit durchaus ungewissem Ausgang nicht nur hinsichtlich der Beschäftigung selbst sondern auch der damit verbundenen Bedingungen, dürfen die Betriebsparteien wegen der damit einhergehenden Rechtsunsicherheit von einer deutlich höheren Motivation zur Erhebung von Kündigungsschutzklagen ausgehen als bei beurlaubten Beamten, so dass sie das Interesse an der Planungssicherheit für die übrigen Beschäftigten ganz anders bewerten und unter Ausschluss der Beamten mit einer zusätzlichen Zahlung belohnen dürfen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BetrVG § 77 Abs. 1, 4 S. 1, § 112 Abs. 2 S. 3; BGB §§ 242, 611 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 03.06.2014; Aktenzeichen 14 Ca 5332/13) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 03.06.2014 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um eine Sozialplanabfindung (80.279,99 €) sowie eine Prämie (4.376,00 €).
Der Kläger ist seit 01.09.1978 Bundesbeamter. Er war bei der B... beschäftigt. Nachdem er zuletzt bei einer Tochter der D... AG, der V... Technical Services GmbH & Co. KG, angestellt war, wurde er aufgrund eines Betriebsüberganges zum 01.01.2008 Arbeitnehmer der Beklagten.
Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.
Die Betriebsparteien schlossen jeweils am 29.04.2013 einen Sozialplan sowie eine Betriebsvereinbarung Sonderprämie (i.F.: BV).
Der Sozialplan lautet auszugsweise:
Präambel
(3) Das zur Verfügung stehende Sozialplanvolumen ist knapp bemessen und reicht nicht annähernd für den Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile aller Mitarbeiter aus. Vor diesem Hintergrund haben die Betriebsparteien das ihnen zustehende Ermessen so ausgeübt, dass die aus ihrer Sicht gravierendsten wirtschaftlichen Nachteile gemildert werden, die im Hinblick auf die zukunftsgerichtete Ausgleichs- und Überbrückungsfunktion des Sozialplans in erster Linie durch Arbeitslosigkeit entstehen. Sie verkennen dabei nicht, dass auch beurlaubten Beamten bei Rückkehr zur D... AG Nachteile entstehen können, z.B. durch ein geringer...