Entscheidungsstichwort (Thema)
Drei-Wochenfrist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage. Geltung der Drei-Wochenfrist bei Unkenntnis des Arbeitgebers über einen gesetzlichen Sonderkündigungsschutz des Arbeitnehmers. Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage. Zwei-Wochenfrist für den Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Will der Arbeitnehmer eine ordentliche Kündigung wegen ihrer Sozialwidrigkeit oder aus anderen Gründen angreifen, muss er grundsätzlich innerhalb der Frist des § 4 Satz 1 KSchG Kündigungsschutzklage erheben. Eine Arbeitnehmerin muss auch dann innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung nach § 4 Satz 1 KSchG Klage beim Arbeitsgericht erheben, wenn sie sich zur Unwirksamkeit der Kündigung auf andere Gründe als das Fehlen der sozialen Rechtfertigung beruft. Auch ein Verstoß der Kündigung gegen ein gesetzliches Verbot wie § 9 Abs. 1 MuSchG muss innerhalb dieser Frist gerichtlich geltend gemacht werden, wobei mit Zugang der Kündigung die Klagefrist anläuft (vgl. BAG, Urteil vom 19.02.2009 - 2 AZR 286/07 - zitiert nach juris). Die Drei-Wochenfrist ist eine prozessuale Klageerhebungsfrist mit materiell-rechtlicher Wirkung und unterliegt nicht der Disposition der beiden Parteien. Die dreiwöchige Ausschlussfrist für die Klageerhebung ist von Amts wegen zu überprüfen (KR, Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzgesetz, 10. Aufl., § 4 Rn. 136 ff.).
2. Dem Ablauf der Klagefrist steht auch § 4 Satz 4 KSchG nicht entgegen. § 4 Satz 4 KSchG bestimmt, dass sofern die Kündigung der Zustimmung einer Behörde bedarf, die Frist zur Anrufung des Arbeitsgerichtes erst von der Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer anläuft. Eine Zustimmung der zuständigen Behörde zu der Kündigung vom 14.03.2013 liegt jedoch unstreitig nicht vor. Allerdings kann § 4 Satz 4 KSchG nach seinem Sinn und Zweck dann keine Anwendung finden, wenn der Arbeitgeber zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung keine Kenntnis von einem Zustimmungserfordernis hatte. Hat eine Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber ihre Schwangerschaft nicht vor Kündigungsausspruch mitgeteilt und ist die Schwangerschaft nicht offensichtlich, muss sie nach § 4 Satz 1 KSchG binnen drei Wochen ab Zugang der schriftlichen Kündigung klagen (vgl. ErfK/Kiel, 15. Aufl., § 4 KSchG, Rn. 26; BAG Urteil vom 19.02.2009 - 2 AZR 286/07 - a. a. O.). So liegt der Fall hier. Unstreitig hatte die Beklagte zum Zeitpunkt des Zuganges der Kündigung keine Kenntnis von der Schwangerschaft der Klägerin. Die Frist des § 4 KSchG begann daher mit Zugang der Kündigung zu laufen.
3. Nach § 5 Abs. 2 Satz 2 KSchG muss der Antrag auf nachträgliche Klagezulassung die Angabe der die Zulassung begründeten Tatsachen und die Mittel der Glaubhaftmachung enthalten. Die Glaubhaftmachung muss dem Richter nicht die volle Überzeugung des § 286 Abs. 1 ZPO vermitteln, sondern lässt mit der überwiegenden Wahrscheinlichkeit einen geringeren Grad ausreichen. Sie liegt vor, wenn bei Würdigung der Umstände des Einzelfalles mehr für als gegen die Behauptung spricht (BAG vom 07.11.2012 in NZA 2013, 1035 Rn. 40). Der Arbeitnehmer kann sich dabei nach § 294 Abs. 1 ZPO aller Beweismittel bedienen, zu denen die Versicherung an Eides statt zählt (BAG vom 25.04.2013 in AP InsO § 343 Nr. 1 Rn. 101).
4. Die Zwei-Wochenfrist beginnt schon dann zu laufen, wenn die Kenntnis vom Wegfall des Hindernisses bei Aufbietung zumutbarer Sorgfalt hätte erlangt werden können (Stahlhacke/Preis/Vossen, KSchG, 9. Aufl., § 5 KSchG Rn. 1858 a m. w. N.). Die Zwei-Wochenfrist des § 5 Abs. 3 Satz 1 wird also nicht erst durch die positive Kenntnis von der Versäumung der Klagefrist in Lauf gesetzt. Sie wird ausgelöst, wenn der Arbeitnehmer aufgrund konkreter Anhaltspunkte bei gehöriger Sorgfalt erkennen muss, dass die Frist möglicherweise versäumt ist (BAG vom 25.04.2013 in AP InsO, § 343 Nr. 1 Rn. 87). War das Hindernis etwa durch eine unverschuldete falsche Rechtsauskunft verursacht, ist es behoben, wenn der Arbeitnehmer Kenntnis von der Drei-Wochenfrist erhält bzw. hätte erlangen können (ErfK zum Arbeitsrecht, 15. Aufl., § 5 Rn. 26).
Normenkette
KSchG §§ 4-5, 7; MuSchG § 9 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1, § 294 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 19.02.2014; Aktenzeichen 12 Ca 2834/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 19.02.2014, Aktenzeichen: 12 Ca 2834/13, abgeändert.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage, die Wirksamkeit einer Kündigung der Beklagten vom 14.03.2013 zum 30.04.2013 und Annahmeverzugsansprüche der Klägerin.
Die Klägerin ist seit dem 05.11.2012 bei der Beklagten als Facility Managerin bei einem Bruttomonatsgehalt von 3.190,00 € beschäftigt.
Am 25.02.2013 wurde bei der Klägerin eine bestehende Schwan...