Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung eines Arbeitnehmers in einem Verfahren wegen der Vergütung von Pausenzeiten. Vergütung der auf gesetzlich vorgeschriebenen Ruhepausen verfallende regelmäßigen Arbeitszeiten
Leitsatz (amtlich)
Nach § 5.5.7 des Gemeinsamen Manteltarifvertrags für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Feinstblechverpackungsindustrie (GMTV) vom 20.03.2018 wird Beschäftigten im Dreischichtbetrieb nur diejenige regelmäßige Arbeitszeit bezahlt, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause "entfällt". Das ist nicht der Fall, wenn nach dem Schichtmodell auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung die regelmäßige Arbeitszeit gemäß § 5.5.1 GMTV ungleichmäßig verteilt und danach erreicht sowie vergütet wird.
Normenkette
ArbZG § 4; RL 2003/88/EG Art. 2; TVG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2; GMTV § 5.5.7
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 08.06.2022; Aktenzeichen 3 Ca 196/22) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.06.2022 - 3 Ca 196/22 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung von Pausenzeiten.
Der Kläger war seit dem 24. Oktober 1988 bei der Beklagten in deren Betrieb in H-Stadt als Mitarbeiter in der Produktion mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Sein Tarifentgelt nach der Entgeltgruppe 1 belief sich auf 18,52 EUR brutto pro Stunde bzw. 2.819,00 EUR brutto im Monat. Inzwischen ist er zum 31. Mai 2022 aus dem Betrieb der Beklagten ausgeschieden und in Rente gegangen.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge der Feinstblechpackungsindustrie Anwendung, insbesondere der Gemeinsame Manteltarifvertrag für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Feinstblechpackungsindustrie (GMTV) vom 20. März 2018, gültig ab 01. Januar 2019, der zur Arbeitszeit in § 5 u.a. folgende Regelungen enthält:
"§ 5
Regelmäßige Arbeitszeit
5.1 Normale Vollzeit
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden ("normale Vollzeit").
(...)
5.5. Lage und Verteilung der Arbeitszeit
5.5.1 Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 35 Stunden ohne Pausen kann gleichmäßig oder ungleichmäßig, in der Regel von Montag bis Freitag verteilt werden, wobei 8 Stunden je Tag ohne Pausen bzw. 40 Stunden pro Woche nicht überschritten werden dürfen.
Eine davon abweichende Verteilung der Arbeitszeit in der Woche kann nach Maßgabe der betrieblichen Erfordernisse bei Abwägung der Interessenlage der Beschäftigten mit dem Betriebsrat vereinbart werden.
(...)
5.5.7 Beschäftigten im Dreischichtbetrieb wird die regelmäßige Arbeitszeit, die durch die gesetzlich vorgeschriebene Ruhepause entfällt, bezahlt.
(...)
5.8 Die gleichmäßige bzw. ungleichmäßige Verteilung der Arbeitszeit gemäß § 5.5 und § 5.6 erfolgt auf der Basis einer Jahres- oder Halbjahresplanung, die rechtzeitig durch Betriebsvereinbarung festzulegen ist.
(...)"
Die Beklagte und der Betriebsrat haben eine Betriebsvereinbarung vom 21. März 2000 "über die Weiterführung einer flexiblen 7-Tage-Woche für die Produktion von Getränkedosen im Werk H-Stadt nach dem Brand vom 26.07.1998" geschlossen (Bl. 258 ff. d. A.). Der Kläger war nach dem darin geregelten Arbeitszeitmodell in der Produktion im vollkontinuierlichen Schichtbetrieb mit fünf Schichtgruppen (Schicht A bis E) in der Schicht A beschäftigt. Die Betriebsparteien haben ein Schichtmodell vereinbart, nach dem in der Produktion an sechs Tagen (zweimal Früh-, zweimal Spät-, zweimal Nachtschicht) gearbeitet wird und die Beschäftigten im Anschluss vier Tage frei haben. Die tägliche Arbeitszeit beträgt dabei 7 Stunden und 40 Minuten (entspricht 7,67 Stunden). Dieser unregelmäßige Schichtrhythmus von sechs Arbeitstagen und anschließend vier arbeitsfreien Tagen wiederholt sich nach zehn Wochen. Durchschnittlich ergibt sich hieraus eine wöchentliche Arbeitszeit von 32,18 Stunden. Um die Differenz zu der tariflichen Vollarbeitszeit von 35 Stunden auszugleichen, haben die Betriebsparteien zusätzliche 19,18 sog. Einbringschichten je Mitarbeiter vereinbart.
Nach der Aktennotiz 18 "für Betriebsvereinbarung zur Weiterführung der flexiblen 7-Tage-Woche vom 21. März 2000 (Bl. 315 - 318 d. A.), deren Regelungen mit der Aktennotiz 26 vom 30. Oktober 2020 über den 31. Dezember 2020 hinaus bis 31. Dezember 2021 verlängert worden sind (Bl. 319 d. A.), galt im streitgegenständlichen Zeitraum für den Kläger als Mitarbeiter in der Produktion Ziff. 3.2.4 der Betriebsvereinbarung vom 21. März 2000 in folgender Fassung:
"3.2.4 Gewerbliche und angestellte Dreischichtmitarbeiter der Produktion
a. Produktionsmitarbeiter
Ein Schichtrhythmus im 5-Schichtsystem umfasst 10 Wochen.
Die tägliche Arbeitszeit beträgt werktags 7 Stunden und 40 Minuten.
Sonntags beträgt die tägliche Arbeitszeit 11 Stunden und 25 Minuten,
bzw. bei Einbringschichten je 7 Stunden und 40 Minuten.
Beginn und Ende der einzelnen Schic...