Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckbarkeit eines gerichtlichen Vergleichs zur einvernehmlichen Beendigung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens bei unerheblichen Einwendungen der Arbeitgeberin zur mangelnden Bestimmtheit der titulierten Handlungs- und Unterlassungspflichten
Leitsatz (redaktionell)
1. Beruht der für die Zwangsvollstreckung herangezogene Titel auf einem gerichtlichen Vergleich und damit auf einem unter Mitwirkung des Arbeitsgerichts zustande gekommenen Vertrag zur umfassenden Erledigung eines vom Betriebsrat zur Klärung der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung im Betrieb der Arbeitgeberin eingeleiteten Beschlussverfahrens, sind die Beteiligten insoweit nach Maßgabe des Gebots der vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) offensichtlich übereinstimmend davon ausgegangen, dass die dort gewählten Formulierungen geeignet sind, für die Zukunft im Hinblick auf den zuvor bestehenden Streit zwischen den Beteiligten Rechtsfrieden in einer umfassenden Art und Weise zu schaffen; vor diesem Hintergrund erscheint es bereits als ein Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB), wenn sich die Arbeitgeberin im Verfahren zur Androhung eines Ordnungsgeldes darauf beruft, dass der von ihr selbst mitgeschaffene Titel mangels Bestimmtheit einer Zwangsvollstreckung nicht zugänglich ist.
2. Eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlautes liegt nicht vor, wenn das gesetzliche Mitbestimmungsrecht umfassend auch in den Fällen kurzzeitiger und kurzfristiger personeller Maßnahmen gelten soll und damit eine Fallkonstellation betrifft, die zwischen Betriebsparteien häufig streitig ist und so jedenfalls nicht ausdrücklich im Betriebsverfassungsgesetz einer Regelung zugeführt worden ist; eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlautes liegt auch nicht vor, wenn konkrete Handlungspflichten der Antragsgegnerin (Arbeitgeberin) dahingehend vereinbart werden, dass insbesondere bei einer vorläufigen personellen Maßnahme die Antragsgegnerin die aus ihrer Sicht vorliegenden sachlichen Gründe für die dringende Erforderlichkeit der Maßnahme zu nennen hat und sich der Titel insoweit durchaus auf einzelne tatbestandlich umschriebene (konkrete) Handlungen oder Unterlassungen bezieht.
3. In Zweifelsfällen kann zur Herstellung der hinreichend inhaltlichen Bestimmtheit eines Titels das schriftsätzliche Vorbringen des antragstellenden Betriebsrats und insbesondere auch die Antragsschrift hinzugezogen werden; die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist im Rahmen des Vollstreckungsbegehrens erst dann schädlich, wenn unter den Beteiligten gerade der Inhalt der gesetzlichen Regelung umstritten ist, was jedoch auszuschließen ist, wenn die Beteiligten durch einen gerichtlichen Vergleich die streitigen Fragen übereinstimmend einer inhaltlichen Erledigung zugeführt und einvernehmlich zu einer inhaltlich bestimmten Vorgehensweise für die Zukunft gefunden haben.
Normenkette
ArbGG § 85; BetrVG § 23 Abs. 3, § § 91 ff.; ZPO §§ 794, 890; BetrVG § 2 Abs. 1, § 23 Abs. 3 S. 2; BGB §§ 242, 769; ZPO § 278 Abs. 6, § 794 Abs. 1 Nr. 1, § 890 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 14.05.2014; Aktenzeichen 4 BV 25/09) |
Tenor
- Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Trier vom 14.05.2014 - 4 BV 25/09 - aufgehoben.
- Der Beschwerdegegnerin wird bei jedem Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtungen aus den Ziffern 1- 3 des gerichtlichen Vergleichs vom 10.03.2010 (ArbG Trier, 4 BV 25/09) ein Ordnungsgeld pro Verstoß von bis zu 10.000,00 € angedroht.
- Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren um die Androhung eines Ordnungsgeldes gegenüber der Antragsgegnerin.
Am 30.07.2009 hat der antragstellende Betriebsrat ein Beschlussverfahren gegen die Antragsgegnerin vor dem Arbeitsgericht Trier (4 BV 25/09) eingeleitet und beantragt,
1. der Antragsgegnerin aufzugeben - außer in Fällen des Arbeitskampfes oder in Notfällen, wie z.B. Naturkatastrophen -, es zu unterlassen, Arbeitnehmer in der Filiale 000 zu beschäftigen, ohne den Antragsteller vorher zu informieren und ohne dass der Antragssteller zuvor seine Zustimmung nach § 99 BetrVG erteilt hat oder die fehlende Zustimmung des Antragsstellers durch das Arbeitsgericht ersetzt worden ist und ohne dass die Antragsgegnerin das Verfahren nach § 100 BetrVG eingeleitet hat,
2. für den Fall der Zuwiderhandlung der Verpflichtung nach Ziffer 1) der Antragsgegnerin ein Ordnungsgeld anzudrohen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird.
Im Kammertermin vom 10.03.2010 haben die Beteiligten sodann einen verfahrensabschließenden Vergleich folgenden Inhalts geschlossen:
1. Die Beteiligte zu 2. verpflichtet sich, bei jeder, auch kurzfristigen, Einstellung ihrer Pflicht zur Unterrichtung und Einholung der Zustimmung des Beteiligten zu 1. gem. § 99 BetrVG nachzukommen.
2. Die Beteiligte zu 2. verpflichtet sich, im Falle der vorläufigen Durchführung einer...