Entscheidungsstichwort (Thema)

Unbegründete außerordentliche Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden wegen grober Beleidigungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zum beanstandeten Verhalten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Auch grobe Beleidigungen eines Arbeitnehmers gegenüber der Arbeitgeberin und anderen Betriebsangehörigen können an sich einen zur außerordentlichen Kündigung geeigneten Umstand darstellen; das gilt insbesondere dann, wenn die Beleidigung nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für die Betroffenen darstellt und damit ein erheblicher Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) vorliegt.

2. Zum Nachweis des Kündigungsgrundes hat die Arbeitgeberin grobe Beleidigungen nach Inhalt, Ort, Zeitpunkt und beteiligten Personen derart ausführlich darzulegen, dass dieser Tatsachenvortrag einem begründeten Bestreiten durch die Gegenseite zugänglich ist; nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist zudem vorrangig eine Abmahnung zu erteilen, da die Zumutbarkeit der (einstweiligen) Weiterbeschäftigung nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Arbeitgeberin damit rechnen muss, dass der Arbeitnehmer sich bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist wiederholt derartige Ausfälligkeiten erlauben wird.

 

Normenkette

BGB § 626; BetrVG § 103; KSchG § 15; BGB § 626 Abs. 1; BetrVG § 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 19.12.2013; Aktenzeichen 6 BV 25/13)

 

Tenor

  1. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 19.12.2013, Az.: 6 BV 25/13, wird zurückgewiesen.
  2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
 

Gründe

I. Die Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Antragsteller die Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners (Beteiligter zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) verlangen kann oder aber nicht.

Der Antragsteller betreibt unter anderem in C-Stadt die Wohnstätte "H.S." für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Er beschäftigt dort ca. 100 Mitarbeiter. Der 1955 geborene Beteiligte zu 3) ist seit dem 01.11.2004 beim Antragsteller beschäftigt. Er ist Mitglied des Antragsgegners und dessen Vorsitzender. In der Wohnstätte des Antragstellers hat Frau Z. als Bewohnerin gelebt. Im Juli 2013 trat der Verdacht eines Schlaganfalls bei ihr auf; tatsächlich war sie an Krebs erkrankt und wurde im Anschluss auf der Palliativstation des Krankenhauses St. M. stationär behandelt. Im August 2013 kehrte Frau Z. auf eigenen Wunsch von der Palliativstation in die Wohnstätte des Antragstellers zurück. Dort verstarb sie am 22.08.2013.

Anlässlich ihrer vorherigen Rückkehr in die Wohnstätte hatte der Geschäftsführer des Antragstellers, Herr H., Frau Z. in der Wohnstätte begrüßt. Im sich anschließenden Gespräch soll die Bewohnerin Äußerungen getätigt haben, deren Inhalt zwischen den Beteiligten streitig ist. Der Geschäftsführer des Antragstellers jedenfalls stellte in diesem Zusammenhang Ermittlungen an und befragte den Mitarbeiter A.. Zu einem späteren Zeitpunkt informierte er auch die Heimaufsicht, das heißt das Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung.

Mit Schreiben vom 30.08.2013 hat der Antragsteller die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) beim Antragsgegner beantragt. Dieser hat die Zustimmung mit Schreiben vom 02.09.2013 verweigert.

Der Antragsteller hat vorgetragen,

Frau Z. habe anlässlich ihrer Rückkehr dem Geschäftsführer wörtlich erklärt: "Stell Dir vor, Herr H., der Herr A. hat zu mir gesagt, ich habe einen schönen Busen".

Hinsichtlich des weiteren streitigen Vorbringens des Antragstellers im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf Seite 3, 4 der angefochtenen Entscheidung (BL.70, 71 d.A.) Bezug genommen.

Der Antragsteller hat beantragt,

die Zustimmung des Antragsgegners und Beteiligten zu 2) zur außerordentlichen Kündigung des Beklagten zu 3) gemäß § 103 (2) BetrVG wird ersetzt.

Der Antragsgegner und der Beteiligte zu 3) haben beantragt,

den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsgegner und der Beteiligte zu 3) haben vorgetragen,

die vom Antragsteller behaupteten Vorkommnisse vom 22.08.2013 seien zu bestreiten. Von der Beteiligten sei niemand anwesend gewesen. Im Übrigen habe der Beteiligte zu 3) nicht am 21.08. die Bewohnerin zusammen mit dem Zeugen A. betreut. Er habe im Frühdienst vom 22.08. diese Tätigkeit verrichtet.

Hinsichtlich des weiteren streitigen Vorbringens des Antragsgegners und des Beteiligten zu 3) im erstinstanzlichen Rechtszug wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf S. 5 der angefochtenen Entscheidung (= Bl. 72 d.A.) Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - hat daraufhin durch Beschluss vom 19.12.2013 den Antrag auf Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 3) zurückgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts der Gründe der Entscheidung ...

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