Entscheidungsstichwort (Thema)
Einigungsgebühr. Kündigung. Rücknahme. Entstehung einer Einigungsgebühr
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG) entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
2. Hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die „Rücknahme” der Kündigung und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses angeboten und hat der Arbeitnehmer dieses Angebot angenommen, haben die Parteien mit ihrer Vereinbarung über den Fortbestand und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr geregelt, als es der Beklagten einseitig durch ein Anerkenntnis möglich gewesen wäre, indem sie z.B. die Kündigung als rechtsunwirksam anerkannt hätte.
Normenkette
RVG VV Nrn. 1000, 1003; RVG § 55
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Beschluss vom 27.01.2010; Aktenzeichen 4 Ca 2302/08) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers wird der Festsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Mainz vom 27.01.2010 – 4 Ca 2302/08 – unter Aufhebung des (richterlichen) Beschlusses des Arbeitsgerichts vom 12.02.2010 wie folgt abgeändert:
2. Die den Prozessbevollmächtigten des Klägers aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung gemäß § 55 RVG wird auf 935,94 Euro festgesetzt.
Tatbestand
I. Mit seiner am 11.12.2008 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25.11.2008 aufgelöst wird. Zugleich stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, dem das Arbeitsgericht entsprochen hat. In der Güteverhandlung vom 19.01.2009 erklärte die Beklagte, sie nehme die Kündigung zurück. Daraufhin erklärte der Kläger, er nehme das hierin liegende Angebot auf Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses an. Zugleich nahm der Kläger seine Klage zurück.
Mit Schriftsatz vom 19.01.2009 haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Festsetzung seiner Anwaltsvergütung im PKH-Verfahren (§ 55 RVG) auf insgesamt 935,94 Euro beantragt und dabei u.a. eine Einigungsgebühr in Höhe von 219,00 Euro in Ansatz gebracht. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 27.01.2010 die beantragte Einigungsgebühr nicht anerkannt und die aus der Landeskasse zu zahlende Anwaltsvergütung aus 675,33 Euro festgesetzt. Die gegen die Nichtberücksichtigung der beantragten Einigungsgebühr eingelegte Erinnerung hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 12.02.2010 zurückgewiesen. Gegen diesen, ihnen am 18.02.2010 zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am 23.02.2010 Beschwerde eingelegt, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Entscheidungsgründe
II. Die (befristete) Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist nach §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und insgesamt zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes für die außer Ansatz gelassene Einigungsgebühr übersteigt 200,00 Euro. Auch ist die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 3 RVG einzuhaltende Rechtsmittelfrist gewahrt.
Die Beschwerde ist auch begründet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist eine Einigungsgebühr (Nr. 1000, 1003 VV RVG) entstanden. Diese Gebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht.
Vorliegend haben die Parteien den Streit über die Wirksamkeit der Kündigung vom 25.11.2008 vertraglich beigelegt. Die Beklagte hat dem Kläger mit der „Rücknahme” der Kündigung angeboten, das Arbeitsverhältnis so fortzusetzen, als sei die Kündigung nicht ausgesprochen worden. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen.
Die damit zustande gekommene vertragliche Einigung beschränkte sich auch nicht auf ein Anerkenntnis der Beklagten. Die Parteien haben mit ihrer Vereinbarung über den Fortbestand und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mehr geregelt, als es der Beklagten einseitig durch ein Anerkenntnis möglich gewesen wäre, indem sie z.B. die Kündigung als rechtsunwirksam anerkannt hätte. Da es sich bei der Kündigung um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, kann sie nach Zugang vom Kündigenden nicht mehr einseitig zurückgenommen werden (BAG vom 19.08.1982 – 2 AZR 230/80 – AP Nr. 9 zu § 9 KSchG 1969). Vielmehr bedarf es diesbezüglich der Zustimmung des Kündigungsempfängers, etwa in Form einer – wie vorliegend – Vereinbarung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses. Darüber hinaus begibt sich der Arbeitnehmer mit einer solchen Einigung der für ihn im Einzelfall bestehenden Rechte aus §§ 9, 12 KSchG. Demzufolge entsteht eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000, 1003 VV RVG auch dann, wenn die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits sich auf die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses ein...