Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätze für erforderliches Beweismaß nach § 286 Abs. 1 ZPO. Fristlose Kündigung wegen Beleidigung. Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bei im Kern menschenverachtenden Äußerungen
Leitsatz (redaktionell)
1. Die fristlose Kündigung eines bereits abgemahnten Arbeitnehmers wegen Beleidigung eines Kollegen mit dunkler Hautfarbe durch das Ausstoßen von Affenlauten ist gerechtfertigt und im Rahmen der Gesamtabwägung verhältnismäßig.
2. Ein wichtiger Grund für eine Kündigung liegt regelmäßig bei Straftaten nach §§ 185, 223, 130, 131, 86, 86a StGB vor.
3. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB durch umfassende Information an den Betriebsrat ist einzuhalten.
Normenkette
BGB § 626; GG Art. 5 Abs. 1; BetrVG § 102; BGB § 626 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 29.06.2020; Aktenzeichen 6 Ca 315/19) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammer Landau - vom 29.06.2020, Az.: 6 Ca 315/19, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen Arbeitgeberkündigung, hilfsweise außerordentlichen Arbeitgeberkündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019 sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen, sowie darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.
Der 1956 geborene, verheiratete Kläger ist einer Person unterhaltspflichtig. Er ist seit dem 01.06.2000 bei der Beklagten in der Niederlassung L. aufgrund schriftlichen Arbeitsvertrages vom 23.05.2000, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 7 ff. d. A. Bezug genommen wird, sodann nach Ablauf der insoweit zunächst vereinbarten Befristung bis zum 31.05.2001 ab dem 01.06. 2001 aufgrund weiteren schriftlichen Arbeitsvertrages vom 15.05.2001 ab dem 01.06.2001, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 11 ff. d. A. Bezug genommen wird, als KFZ-Meister und Teammeister (Nutzfahrzeuge) gegen ein durchschnittliches, monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 3.910,50 € beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden nach Maßgabe des schriftlichen Arbeitsvertrages die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Anwendung; aufgrund dessen ist das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich nicht (mehr) kündbar.
Am 25.04.2019 hat die Beklagte dem Kläger gegenüber eine außerordentliche Tat- hilfsweise außerordentliche Verdachtskündigung erklärt, hilfsweise des Weiteren eine außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist zum 31.10.2019. Die Beklagte hat die Kündigungen ausweislich des Kündigungsschreibens vom 25.04.2019, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 18 d. A. Bezug genommen wird, sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung erklärt; dies gilt sowohl für die außerordentliche Kündigung, als auch für die außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.
Mit E-Mail vom 10.04.2019, hinsichtlich deren weiteren Inhalts auf Bl. 163 d. A. Bezug genommen wird, hatte sich der Auszubildende St. an die Beklagte gewandt und folgendes mitgeteilt:
"Guten Tag Herr M.,
ich melde mich bei Ihnen weil es in meinem Werkeinsatz (Niederlassung L., Abteilung LKWs) zu mehreren rassistischen Aussagen der Mitarbeiter kam. Zwei Mitarbeiter bekennen sich sogar stolz zum Faschismus.
Innerhalb der ersten Tage war von Volksverhetzung bis zum Hitlergruß fast alles dabei, die restlichen Mitarbeiter sagen nichts dagegen. Sie beteiligen sich zum Teil sogar mit Zustimmung an den Gesprächen die sich zum Großteil gegen "die Araber" richten. Um einen der beiden bekennenden Faschisten zu zitieren: "man sollte die alle erschießen!" Außerdem freut sich dieser Mitarbeiter sehr auf den 20. April, den Geburtstag von Adolf Hitler. Das erwähnt er mehrmals am Tag.
Ich will mir nicht vorstellen was wäre, wenn Auszubildende mit türkischer Herkunft mit solchen Rassisten zusammenarbeiten müssten. Ich selbst habe dabei ein sehr komisches Gefühl.
Ich hoffe Sie verstehen meinen Standpunkt und damit auch, dass ich möglichst versuche Gespräche mit diesen Personen zu vermeiden."
Nach dieser E-Mail des Zeugen St. an seinen Ausbilder, Herrn M., hat die Beklagte Ermittlungen angestellt durch Befragung der Zeugen S., Z. und Y.; auch der Kläger wurde zu den insoweit erhobenen Vorwürfen befragt.
Hinsichtlich der weiteren Darstellung der Gesprächsprotokolle der Beklagten, die insoweit gefertigt wurden, wird auf Bl. 77 ff. d. A. Bezug genommen. Des Weiteren fanden am 17. und 18.04.2019 wegen der streitgegenständlichen Äußerungen Befragungen des Auszubildenden Herrn Y., des Werkstudenten Herrn Z. und am 18.04.2019 des Herrn St. statt. Insoweit wird auf Bl. 151 ff. d. A. zur weiteren Darstellung Bezug genommen. Mit E-Mail vom 17.04.2019 erbat ...