Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenabwägung. Kündigung, außerordentliche. Kündigungsausschluss. Unkündbarkeit. außerordentliche Kündigung. einzelvertraglicher Kündigungsausschluss

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Fall eines einzelvertraglichen Kündigungsausschlusses sind dem Arbeitgeber noch weitergehende Belastungen zumutbar als etwa bei einem durch Flächentarifvertrag vereinbarten Kündigungsausschluss. An einer individualvertraglichen Vereinbarung muss sich ein Arbeitgeber eher festhalten lassen als an einer pauschalen, für alle Arbeitsverhältnisse einer Branche geltenden Tarifregelung, die dem Altersschutz dient und im extremen Ausnahmefall im einzelnen Arbeitsverhältnis zu einem unzumutbaren Ergebnis führen kann. Einer einzelvertraglichen Bindung ist auf Grund ihrer Eigenständigkeit und Individualität größeres Gewicht beizumessen als tarifvertraglichen Bindungen dieser Art.

2. Der Arbeitgeber hat, was im Hinblick auf seine Vertragsfreiheit möglich ist, sein aus Art. 12 GG herzuleitendes Recht auf privatautonome Beendigung von Arbeitsverhältnissen selbst beschränkt. Der aus der zwingenden Natur der Vorschriften über die fristlose Entlassung aus wichtigem Grund abgeleitete Satz, dass fristlose Kündigungen nicht erschwert werden dürften, ist in dieser allgemeinen Fassung nicht richtig. Er kann vielmehr nur dann Geltung beanspruchen, wenn es sich um eine für den kündigenden Vertragspartner unzumutbare Erschwerung seines fristlosen Kündigungsrechts handelt.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 08.06.2011; Aktenzeichen 10 Ca 442/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 8. Juni 2011, Az.: 10 Ca 442/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 09.03.2011.

Die Klägerin (geb. am 03.04.1965) ist seit dem 01.01.1989 im Betrieb der Beklagten als ausgebildete Bürokauffrau zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 3.579,04 in Vollzeit beschäftigt. Die Beklagte fertigt und vertreibt Holztüren; sie beschäftigte im März 2011 vielleicht 15 oder 17 Arbeitnehmer (so die Beklagte) bzw. ca. 30 Arbeitnehmer (so die Klägerin). Die Klägerin ist die Schwester des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Beklagten. Durch notariellen Vertrag vom 12.12.2001 (Bl. 9 ff. d.A.) hat der Vater der Klägerin seinem Sohn zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge seine Gesellschaftsbeteiligungen und seine Grundbesitzanteile übertragen. Im notariellen Vertrag ist u.a. folgendes geregelt:

„V.

Die Schenkung erfolgte unter folgender Auflage, dass Herr Z. C. verpflichtet ist, seine Schwester, Frau X., weiterhin in der Firma bis zum Eintritt in das Rentenalter zu beschäftigen, wobei diese ein monatliches Bruttogehalt von derzeit DM 7.000,– erhalten soll und alle fünf Jahre einen Geschäftwagen, soweit letztere Zusage die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zulässt.

Das Recht der außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt.

VI.

Frau X. stimmt den vorstehenden Übertragungen zu.

Frau X. verzichtet heute schon auf die Geltendmachung von eventuellen Pflichtteilsrechten, insbesondere Pflichtteilsergänzungsansprüchen, nach dem Tod von Herrn Y. C. bezüglich der vorstehenden Übertragungen an ihren Bruder, Herrn Z. C..

Der Übertragende nimmt diesen Verzicht hiermit an.”

Zwischen den Geschwistern herrscht seit einiger Zeit Streit. Sie führten und führen mehrere Rechtsstreitigkeiten vor dem Arbeitsgericht. Der Klage gegen die erste fristlose Kündigung der Beklagten vom 21.09.2010 hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen mit rechtskräftigem Urteil vom 01.02.2011 (Az.: 2 Ca 1786/10) stattgegeben. Die Klägerin war seit Jahren im Besitz von zwei Schlüsseln für die Betriebsgebäude der Beklagten, insbesondere für alle Büroräume und Fabrikhallen. Am 09.02.2011 forderte sie ihr Neffe, der Sohn des Geschäftsführers der Beklagten, auf, die Schlüssel herauszugeben. Die Klägerin weigerte sich. Daraufhin erteilte die Beklagte der Klägerin am 23.02.2011 eine schriftliche Abmahnung (Bl. 45 d.A.). Mit Schreiben vom 09.03.2011, das der Klägerin am selben Tag durch ihre Schwägerin persönlich übergeben worden ist, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit der vorliegenden am 16.03.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Erst am 22.03.2011 gab sie die Schlüssel heraus.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 08.06.2011 (dort Seite 2-6 = Bl. 80-84 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 09.03.2011, zugegangen am selben Tag, zum 09.03.2011 nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

D...

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