Entscheidungsstichwort (Thema)

Darlegungs- und Beweislast. Kündigung, außerordentliche. Rechtfertigungsvorbringen. Verdachtskündigung. Außerordentliche Kündigung

 

Leitsatz (redaktionell)

Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände des wichtigen Grunds i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB. Ihn trifft daher die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen.

 

Normenkette

BGB § 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 16.09.2011; Aktenzeichen 10 Ca 815/11)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16. September 2011, Az.: 10 Ca 815/11, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung der Beklagten vom 02.05.2011. Das Arbeitsverhältnis ist inzwischen – unstreitig – durch eine betriebsbedingte Kündigung der Beklagten spätestens zum 31.01.2012 aufgelöst worden.

Die 1965 geborene Klägerin war seit dem 01.01.1989 bei der Beklagten, die in ihrem Betrieb Holztüren fertigte und vertrieb, als Bürokauffrau zu einem Monatsgehalt von zuletzt EUR 3.579,04 brutto beschäftigt. Die Klägerin ist die Schwester des geschäftsführenden Alleingesellschafters der Beklagten. Durch notariellen Vertrag vom 12.12.2001 hat der Vater der Klägerin ihrem Bruder zum Zwecke der vorweggenommenen Erbfolge seine Gesellschaftsbeteiligungen und seine Grundbesitzanteile übertragen. Im notariellen Vertrag ist u.a. folgendes geregelt:

„V.

Die Schenkung erfolgte unter folgender Auflage, dass Herr Z. C. verpflichtet ist, seine Schwester, Frau Y., weiterhin in der Firma bis zum Eintritt in das Rentenalter zu beschäftigen, wobei diese ein monatliches Bruttogehalt von derzeit DM 7.000,– erhalten soll und alle fünf Jahre einen Geschäftwagen, soweit letztere Zusage die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft zulässt.

Das Recht der außerordentlichen Kündigung bleibt unberührt.

VI.

Frau Y. stimmt den vorstehenden Übertragungen zu.

Frau Y. verzichtet heute schon auf die Geltendmachung von eventuellen Pflichtteilsrechten, insbesondere Pflichtteilsergänzungsansprüchen, nach dem Tod von Herrn X. C. bezüglich der vorstehenden Übertragungen an ihren Bruder, Herrn Z. C..

Der Übertragende nimmt diesen Verzicht hiermit an.”

Zwischen den Geschwistern herrscht seit einiger Zeit Streit, der zu mehreren Prozessen führte. Der Klage gegen die erste fristlose Kündigung der Beklagten vom 21.09.2010 hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen mit rechtskräftigem Urteil vom 01.02.2011 (Az.: 2 Ca 1786/10) stattgegeben. Der Klage gegen die zweite fristlose Kündigung der Beklagten vom 09.03.2011 hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen mit Urteil vom 08.06.2011 (Az.; 10 Ca 442/11) ebenfalls stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten mit rechtskräftigem Urteil vom 01.12.2011 (Az.: 10 Sa 366/11 – Juris) zurückgewiesen.

Mit Schreiben vom 02.05.2011, der Klägerin am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum dritten Mal fristlos. Gegen diese Kündigung wehrt sich die Klägerin mit der vorliegenden am 11.05.2011 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Die Beklagte begründet diese fristlose Kündigung damit, dass die Klägerin mit der Tankkarte des Vaters an einer Tankstelle am Autohof W. auf Firmenkosten getankt hat, und zwar – unstreitig – am:

05.02.2010

45,47 Liter Superbenzin für EUR 63,53

12.02.2010

30,33 Liter Superbenzin für EUR 41,86

07.05.2010

52,50 Liter Superbenzin für EUR 73,45

19.05.2010

46,29 Liter Superbenzin für EUR 64,30

Die Beklagte behauptet, ihr Geschäftsführer habe erst am 18.04.2011 aufgrund einer Mitteilung des Tankstellenbetreibers von diesen Tankvorgängen Kenntnis erlangt. Sie hörte die Klägerin mit Schreiben vom 19.04.2011 zu dem Verdacht an, sie habe die Tankkarte des Vaters widerrechtlich zu privaten Zwecken genutzt.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.09.2011 (dort Seite 2-6 = Bl. 98-102 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 02.05.2011, zugegangen am selben Tag, zum 02.05.2011 nicht aufgelöst worden ist,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch andere Beendigungstatbestände endet, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 02.05.2011 hinaus fortbesteht.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht Ludwigshafen hat mit Urteil vom 16.09.2011 den Klageantrag zu 2) als unzulässig verworfen und dem Klageantrag zu 1) stattgegeben. Die fristlose Kündigung der Beklagten vom 02.05.2011 sei gemäß § 626 Abs. 1 BGB unwirksam. Die Klägerin habe die Tankkarte ihres Vaters nicht widerrechtlich genutzt, es fehle auch an einem entsprechenden Ta...

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