Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungskündigung, außerordentliche. Sozialauswahl. Außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Voraussetzungen einer auf betriebliche Gründe gestützten außerordentlichen Änderungskündigung aus wichtigem Grund gehen über die Anforderungen an eine ordentliche Änderungskündigung hinaus. Mit dem Ausschluss der ordentlichen Kündbarkeit geht der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer eine besondere Verpflichtung nicht nur hinsichtlich des Bestands, sondern auch in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses ein. Dem müssen die materiellen Anforderungen an den wichtigen Grund Genüge tun.
2. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen.
3. Die Stilllegung eines Betriebsteils kann ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Änderungskündigung sein.
Normenkette
KSchG § 2; MTV-Pfälz.Elektroindustrie § 9 Ziff. 4
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 09.01.2009; Aktenzeichen 3 Ca 1806/08) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 9.1.2009 – 3 Ca 1806/08 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen betriebsbedingten Änderungskündigung.
Der am 10. August 1946 geborene und verheiratete Kläger wurde aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages ab 01. Oktober 1979 unter Anrechnung einer Vorbeschäftigung ab 16. April 1975 von der Beklagten als Schlosser eingestellt.
Der Arbeitsvertrag sieht eine Bindung an den Manteltarifvertrag und den Lohntarifvertrag der zwischen dem „Pfälzischen Elektro-Innungsverband” und der „Industriegewerkschaft Metall” geschlossen wurde, vor. § 9 Ziffer 4 des Manteltarifvertrages enthält folgende Regelung:
In Betrieben mit in der Regel mindestens 20 Arbeitnehmern kann einem Arbeitnehmer, der das 55., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet und dessen Arbeitsverhältnis in dem Unternehmen zu diesem Zeitpunkt mindestens 10 Jahre ununterbrochen bestanden hat, das Arbeitsverhältnis nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden.
Dies gilt nicht bei:
- Vorliegen eines für den betroffenen Arbeitnehmer geltenden Sozialplanes;
- Änderungskündigungen zum Zwecke betrieblicher Versetzungen im Rahmen des Unternehmens bzw. Konzerns, wenn damit keine Veränderung des Wohnsitzes erforderlich wird.
Bei der Beklagten waren am 01. Juni 2008 insgesamt 68 Arbeitnehmer beschäftigt; davon 50 Mitarbeiter am Standort Ludwigshafen und 18 Mitarbeiter an auswärtigen Standorten.
Die Beklagte erbringt u. a. Instandhaltungsdienstleistungen in Druckbetrieben, handwerkliche Dienstleistungen (Bauschlosserei, Malerei, Heizung/Sanitär) und EDV-Support-Dienstleistungen.
Am Hauptsitz in Ludwigshafen war die Beklagte aufgrund eines Werkvertrages mit der Instandhaltung an den produktionstechnischen Anlagen der Verlags- und Druckereigesellschaft M. „Die M.”), Druckzentrum Oggersheim, beauftragt. Zur Erfüllung des Werkvertrages mit der M. beschäftigte sie am 01. Juni 2008 insgesamt 12 Schlosser (Bereich Mechanik: 2 Werkstattleiter und 10 Maschinenschlosser) und 6 Elektriker (Bereich Elektrik: 1 Werkstattleiter und 5 Elektriker), die zusammen die Abteilung „Instandhaltung” am Standort Ludwigshafen bildeten. In dieser Abteilung war der Kläger als Maschinenschlosser tätig. Den mit der Beklagten bestehenden Werkvertrag kündigte die M. zum 31. Dezember 2008 mit der Folge, dass ab 01. Januar 2009 keine Instandhaltungsaufträge mehr für die M. Druckzentrum Oggersheim anfielen.
Mit Schreiben vom 21. August 2008 teilte die Beklagte dem Betriebsrat mit, dass sie beabsichtigte, das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger – erneut – zum 31. März 2009 zu kündigen und ihm den als Anlage beigefügten Arbeitsvertrag für die Zeit ab 01. April 2009 anzubieten. Auf Seite 14 des Anhörschreibens wird ausgeführt: „Herrn Z. bieten wir deshalb die Position in Essen an”.
Der Betriebsrat widersprach der Kündigung durch Schreiben vom 22. August 2009.
Mit Schreiben vom 29. August 2008 kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis zum 30. März 2009 und bot ihm gleichzeitig mit Wirkung ab 01. April 2009 eine Beschäftigung als Industriemechaniker mit Einsatzort Essen mit Wirkung ab 01. April 2009 an. Der Kläger nahm das Änderungsangebot nicht an.
Mit seiner am 19. September 2008 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die ausgesprochene Kündigung gewandt.
Der Kläger hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, eine außerordentliche Kündigung hätte nicht ausgesprochen werden können. Die ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates werde bestritten. Da die Beklagte bereits Ende Februar, Anfang März 2008 gewuss...