Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Poliers wegen Spesenbetrugs
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein erwiesener Spesenbetrug bildet an sich einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB; ein Arbeitnehmer, der bei Spesenabrechnungen bewusst falsche Angaben macht oder deren Unrichtigkeit zumindest für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, verletzt in erheblicher Weise seine vertraglichen Pflichten.
2. Ein Spesenbetrug kann selbst dann als Grund zur fristlosen Kündigung ausreichen, wenn es sich um einen einmaligen Vorfall und um einen geringen Betrag handelt.
3. Bewusstes und damit vorsätzliches Handeln ist von der Erklärung versehentlich falscher Angaben zu unterscheiden; ein vorsätzliches Handeln liegt bereits dann vor, wenn die Unrichtigkeit und der auf ihr beruhende rechtswidrige Erfolg für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird.
4. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer nach seiner unwiderlegten Einlassung entgegen seiner ursprünglichen Planung kurzfristig aufgrund eines Anrufs seiner Ehefrau nach Hause gefahren war, spricht dafür, dass er es lediglich versehentlich versäumt hat, die im Arbeitszeitwochenbericht für ihn im Vorhinein bestellte und eingetragene Übernachtung zu berichtigen.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 04.12.2013; Aktenzeichen 4 Ca 769/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 04.12.2013 - 4 Ca 769/13 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise ordentlichen Kündigung.
Der 1965 geborene Kläger war bei der Beklagten, einem Tiefbauunternehmen mit in der Regel mehr als zehn beschäftigten Arbeitnehmern, seit dem 01. November 2003 als Polier gegen ein durchschnittliches Bruttomonatsentgelt von ca. 4.200,00 EUR beschäftigt.
In der Zeit vom 15. bis 18. April 2013 war der Kläger wegen seines Einsatzes auf einer auswärtigen Baustelle zusammen mit drei weiteren Mitarbeitern der Beklagten in der Ferienwohnung "Z" untergebracht. Am Mittwoch, dem 17. April 2013, fuhr der Kläger abends nach Hause und kehrte am nächsten Morgen zurück auf die Arbeitsstelle. In dem von ihm unterzeichneten Arbeitszeitwochenbericht für die Woche vom 15. bis 18. April 2013 (Bl. 19 d.A.) ist unter dem 17. April 2013 (Mittwoch) das Feld "Übernachtung" mit "ja" angekreuzt. In der Rechnung der Ferienwohnung "Z" vom 17. April 2013 (Bl. 22 d.A.), die der Beklagten zur Abrechnung vorgelegt wurde, sind für die Zeit vom 15. bis 18. April 2013 "1 Übernachtung mit 3 Personen" und "2 Übernachtungen mit 4 Personen" berechnet. Der vom Kläger verauslagte Rechnungsbetrag wurde ihm von der Beklagten erstattet. Die Beklagte zahlte an den Kläger für den Monat April 2013 eine Auslösung in Höhe von 240,00 EUR (Lohnabrechnung für April 2013, Bl. 21 d.A.) auf der Grundlage eines von ihr ausgefüllten Stundenzettels für den Monat April 2013 (Bl. 20 d.A.), in dem unter der Rubrik "Übernachtung" 24,00 EUR für den 17. April 2013 und 12,00 EUR für den 18. April 2013 eingetragen ist.
Mit Schreiben vom 03. Juni 2013 (Bl. 6 d.A.) kündigte die Beklagte das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2013. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 11. Juni 2013 beim Arbeitsgericht Trier eingegangenen Kündigungsschutzklage.
Wegen des erstinstanzlichen wechselseitigen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 04. Dezember 2013 - 4 Ca 769/13 - verwiesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - beantragt
festzustellen, dass die fristlose und hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 03. Juni 2013 sozial ungerechtfertigt sind, das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht bis zum 30. September 2013 beendet hat, dass dieses vielmehr ungekündigt über den vorgenannten Zeitpunkt hinaus fortbesteht.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 04. Dezember 2013 - 4 Ca 769/13 - hat das Arbeitsgericht Trier - soweit für das Berufungsverfahren von Interesse - der Kündigungsschutzklage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, dass der von der Beklagten gegenüber dem Kläger erhobene Vorwurf eines Spesenbetruges nicht gerechtfertigt sei. Dabei könne dahinstehen, ob der Kläger tatsächlich seine Stundenzettel im Vorhinein ausfülle und erst im Nachhinein korrigiere und ob er die Beklagte eigens darüber informiert habe, vom 17. auf den 18. April 2013 nicht in der Ferienwohnung übernachtet zu haben. Unabhängig hiervon fehle es an der für einen Spesenbetrug erforderlichen vorsätzlichen Täuschung. Der Kläger habe unwidersprochen vorgetragen, am 17. April einen Anruf seiner Ehefrau erhalten zu haben mit der Bitte, kurzfristig (unerwartet) nach Hause zu kommen, um sie und ihre Tochter zu trösten, weil der gemeinsame Hun...