Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines leitenden Angestellten wegen Abrechnung von Reisespesen
Leitsatz (redaktionell)
1. Vermögensrechtliche Straftaten des Arbeitnehmers zum Nachteil der Arbeitgeberin (insbesondere Diebstahl und Betrug gemäß §§ 242, 263 StGB) sind an sich geeignet, einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.
2. Auch Spesenbetrug ist grundsätzlich und gerade bei Beschäftigten in einer Vertrauensstellung (wie sie etwa ein Verkaufsleiter für Deutschland inne hatte) Grund für eine außerordentliche Kündigung; ein Arbeitnehmer hat angefallene Spesen grundsätzlich korrekt abzurechnen.
3. Reicht der Verkaufsleiter die Rechnung für ein Doppelzimmer zur Übernachtung mit seiner Lebensgefährtin in voller Höhe ein, obwohl er dazu nicht berechtigt ist, erhält er insoweit im Rahmen seiner Reisekostenabrechnung den auf seine Lebensgefährtin anfallenden Anteil der Übernachtung zu Unrecht von der Arbeitgeberin.
Normenkette
BGB § 626; BetrVG § 102
Verfahrensgang
ArbG Trier (Entscheidung vom 09.06.2010; Aktenzeichen 4 Ca 1578/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010 - 4 Ca 1578/08 - hinsichtlich der Ziffer 5. teilweise wie folgt abgeändert: Die Beklagte wird verurteilt, 39.471,21 € brutto zu zahlen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens 9 AZN 724/12 vor dem BAG zu tragen. Hinsichtlich der erstinstanzlichen Kosten wird Ziffer 7. des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 09.06.2010 - 4 Ca 1758/08 - dahin abgeändert, dass der Kläger 52,7 %, die Beklagte 47,3 % mit Ausnahme der vom Kläger zu tragenden Säumniskosten zu tragen hat.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten um die Wirksamkeit von insgesamt drei außerordentlichen, zum Teil hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigungen der Beklagten sowie um Annahmeverzugslohn und um weitere Zahlungsansprüche, insbesondere um Bonusleistungen und Karenzentschädigung.
Der zum Zeitpunkt der Klageerhebung 48-jährige Kläger war seit dem 15.07.2003 bei der Beklagten zuletzt als Verkaufsleiter für Deutschland (gesamt) und für weitere Länder tätig. Der Kläger ist inzwischen verheiratet. Die Beklagte beschäftigt ca. 400 Arbeitnehmer. Der Kläger hat zuletzt ein Bruttomonatsgehalt in Höhe von 10.883,00 EUR zuzüglich 13,29 EUR VL sowie weitere 1.089,30 EUR als geldwerten Vorteil für die auch privat gestattete Kfz-Nutzung seines Dienstwagens erhalten.
Nach § 1 des schriftlich zwischen den Parteien abgeschlossenen Arbeitsvertrages gilt der Kläger als leitender Angestellter. Er nahm bei den letzten Betriebsratswahlen nicht teil. Hinsichtlich des Inhalts des Arbeitsvertrages im Übrigen wird auf Bl. 76 bis 79 d. A. Bezug genommen. In einem Anhang zum Anstellungsvertrag haben die Parteien ein Wettbewerbsverbot vereinbart (vgl. Bl. 127, 128 d. A.). Hinsichtlich der Höhe der Karenzentschädigung wird auf Ziffer 3 dieser Regelung Bezug genommen. Die Vertragsergänzung vom 30.04.2008 enthält neben der Angabe zum aktuellen Monatsgehalt eine Bonusregelung für das Jahr 2008. Diese hat, soweit vorliegend von Belang, unter anderem folgenden Wortlaut:
"Für 2008 wird folgende Bonusregelung getroffen:
Wird der Planumsatz 2008 in Höhe von 35,522 Mio. Euro zuzüglich Mehrwertsteuer für D, A, CH erreicht, erfolgt eine Bonuszahlung in Höhe von brutto 25.000 Euro. Der Bonus verringert sich linear bei Nichterreichen des vorgenannten Umsatzes bis auf Null, wenn in oben genannten Ländern lediglich der Vorjahresumsatz (2007) erreicht wird.
Wird der in D, A, CH als Gesamtheit in 2007 inkl. Objektrabatt erreichte Durchschnittsrabatt von 44,69 Prozent in 2008 gehalten, erfolgt eine weitere Bonuszahlung von 25.000 Euro. Dieser Bonus verringert sich linear mit steigendem Durchschnittsrabatt und erreicht Null, wenn sich der oben genannte 2007er Durchschnittsrabatt in 2008 um 1 Prozent auf 46,69 Prozent inkl. Objektrabatt erhöht.
Die Prämienvereinbarung 2008 ist eine freiwillige Leistung. ... Bei Kündigung durch das Unternehmen wird die Prämie anteilig zum Zeitpunkt der Tätigkeitsbeendigung auf Gesamtjahresbasis 2008 gezahlt. Die Prämien werden mit der Lohnabrechnung Februar 2009 ausbezahlt."
Am 10.10.2008 fand bei der Firma P., einem wichtigen Kunden der Beklagten, eine große Einweihungsfeier statt, an der unter anderem der Kläger zusammen mit seiner damaligen Lebensgefährtin und derzeitigen Ehefrau teilnahm. Der Kläger übernachtete vom 10. auf den 11.10.2008 zusammen mit ihr in einem Doppelzimmer im Landgasthof D.. Die Rechnung für das Doppelzimmer in Höhe von 80,00 EUR (vgl. Bl. 33 d. A.) reichte er bei der Buchhaltung der Beklagten ein, die diesen Betrag in voller Höhe an ihn auszahlte. Die Buchhaltung rechnete auch Bewirtungskosten seiner damaligen Lebensgefährtin ab, die an dem Geschäftsessen teilnahm und überwies auch insoweit den j...