Entscheidungsstichwort (Thema)

Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Arbeitsverhältnis. Anspruch auf Schmerzensgeld bei schwerer Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch ungerechtfertigte detektivische Überwachung. Vorbereitungshandlungen für eine Konkurrenztätigkeit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gemäß § 823 Abs. 1 BGB hat der Einzelne, also auch der Arbeitnehmer, gegenüber jedermann das Recht auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit. Zwar ist dieses Recht nicht mit dem Persönlichkeitsgrundrecht gemäß Artikel 2 Abs. 1 i. V. m. Artikel 1 Abs. 1 GG identisch; es entfaltet aber vielfach eine gleichartige Wirkung. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist das Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner Persönlichkeit. Zum Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gehört auch der sogenannte Ehrenschutz, der auf den Schutz gegen unwahre Behauptungen und gegen herabsetzende, entwürdigende Äußerungen und Verhaltensweisen und die Wahrung des sozialen Geltungsanspruchs gerichtet ist. Es umfasst damit auch den Anspruch auf Unterlassung der Herabwürdigung und Missachtung durch andere (BAG 28.10.2010 EzA § 611 BGB Persönlichkeitsrecht Nr. 10; vgl. Dörner/Luczak/Wildschütz/Baeck/Hoß, Handbuch des Arbeitsrechts, 14. Auflage 2018, Kapitel 3 Rn. 2341). Der Arbeitgeber ist insgesamt verpflichtet, das allgemeine Persönlichkeitsrecht der bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer nicht selbst durch Eingriff in deren Persönlichkeits- oder Freiheitssphäre zu verletzen, sie vor Belästigungen durch Mitarbeiter oder Dritte, auf die er einen Einfluss hat, zu schützen, einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen und die Arbeitnehmerpersönlichkeit zu fördern (Thüringisches LAG 10.04.2001 NZA-RR 2001 347). Nichts anderes folgt aus Artikel 8 Satz 1 EMRK (LAG Rheinland-Pfalz 27.04.2017 - 5 Sa 449/16).

2. Gemäß §§ 280 ff., 251 Abs. 2 BGB, 823 Abs. 1 BGB kommt analog § 253 Abs. 2 BGB bei schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Betracht (BAG 19.08.2010 - 8 AZR 530/09; 19.02.2015 - 8 AZR 1007/13; DLW/Dörner a. a. O., Rn. 2413). Ein auf § 823 Abs. 1 gestützter Anspruch auf Geldentschädigung wegen einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung - nur eine solche kommt dafür in Betracht - setzt voraus, dass die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann. Die Zubilligung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung beruht auf dem Gedanken, dass ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktionen blieben mit der Folge, dass der Rechtschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. Bei dieser Entschädigung steht - anders als beim Schmerzensgeld - regelmäßig der Gesichtspunkt der Genugtuung des Opfers im Vordergrund. Außerdem soll sie der Prävention dienen (BAG 19.02.2015 a. a. O.). Ob eine so schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, das die Zahlung einer Geldentschädigung erforderlich ist, ist aufgrund der gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Dabei sind in gebotener Gesamtwürdigung insbesondere die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs, ferner Anlass und Beweggrund des Handelnden sowie der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (BAG 19.02.2015, a. a. O.; 19.08.2010, a. a. O.; LAG Schleswig-Holstein 30.09.2014 - 1 Sa 107/14 - LAGE Artikel 2 GG Persönlichkeitsrecht Nr. 1; LAG Rheinland-Pfalz 27.04.2017 - 5 Sa 449/16; vgl. DLW-Dörner, a. a. O., Rn 2410 ff.).

3. Bei der Feststellung, ob überhaupt eine Wettbewerbshandlung vorliegt, ist auf die gefestigten Grundsätze zur Abgrenzung bloßer Vorbereitungshandlungen und der tatsächlichen Ausübung einer Wettbewerbstätigkeit zurückzugreifen. Danach darf ein Arbeitnehmer, wenn kein nachvertragliches Wettbewerbsverbot vereinbart ist, schon vor Beendigung seines Arbeitsverhältnisses für die Zeit nach seinem Ausscheiden einen Vertrag mit einem konkurrierenden Arbeitgeber abschließen oder die Gründung eines eigenen Unternehmens - auch im Handelszweig seines Arbeitgebers - vorbereiten. Für die Abgrenzung der erlaubten Vorbereitungshandlung von der verbotenen Konkurrenztätigkeit ist entscheidend, ob durch das Verhalten des Arbeitnehmers bereits unmittelbar in die Geschäfts- oder Wettbewerbsinteressen des Arbeitgebers eingegriffen wird. Zulässig sind Vorbereitungshandlungen, durch die nur die formalen und organisatorischen Voraussetzungen für das geplante eigene Handelsunternehmen geschaffen werden sollen. Sie müssen sich aber in der Vorbereitung erschöpfen und dürfen nicht durch Kontaktaufnahme mit Kunden oder anderen Vertragspartnern des Arbeitgebers dessen Interessen gefährden (BAG, Urteil vom 28.09.1989 - 2 AZR 97/89, juris).

 

Normenkette

BGB §§ 823, 241 Abs. 2, § 611; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; EMRK Art. 8 Abs. 1; HGB § 74 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 22.02.2017; Aktenzeichen 7 Ca ...

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