Entscheidungsstichwort (Thema)

Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Vorsitzenden des Betriebsrats eines Teilbetriebes und des Gesamtbetriebsrats durch Anordnung der Observation durch eine Detektei

 

Leitsatz (redaktionell)

In der vom Arbeitgeber veranlassten heimlichen Observation des Vorsitzenden eines Teil- und des Gesamtbetriebsrats über die Dauer von 20 Arbeitstagen liegt eine schwerwiegende Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Das gilt jedenfalls dann, wenn es hierfür keine hinreichende Rechtfertigung gab und bereits ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren eingeleitet war mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass die Arbeitgeberin nicht verpflichtet ist, den Arbeitnehmer pauschal und vollständig für Betriebsratsaufgaben von seiner beruflichen Tätigkeit frei zu stellen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 30.08.2016; Aktenzeichen 8 Ca 1012/15)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 30. August 2016, Az. 8 Ca 1012/15, abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung in Höhe von 10.000,00 EUR zu zahlen.
  2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger wegen einer Observation durch eine Detektei eine Geldentschädigung zu zahlen.

Die Beklagte betreibt ein Unternehmen, das Dienstleistungen zur Instandsetzung und -haltung von Schienenfahrzeugen des Güter- und Personenverkehrs anbietet. Sie beschäftigt an fünf Standorten im Bundesgebiet über 800 Arbeitnehmer. Im Werk K. sind regelmäßig weniger als 200 Arbeitnehmer beschäftigt. Der Kläger ist Vorsitzender des Betriebsrats des Werks K. und außerdem Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats. Er ist Mitglied der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EGV). Die Beklagte hatte den Kläger bis zu den Betriebsratswahlen 2014 in der vorherigen Wahlperiode - freiwillig - vollständig von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellt, obwohl die gesetzliche Mindeststaffel des § 38 Abs. 1 BetrVG nicht erreicht war. Seit der Neuwahl 2014 war sie hierzu nicht mehr bereit. Zwischen der Beklagten und dem Betriebsrat bestanden in der Folge Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger vollständig von der beruflichen Tätigkeit freizustellen. Am 22.08.2014 leitete die Beklagte beim Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az. 8 BV 20/14) ein Beschlussverfahren ein. Sie begehrte die Feststellung, dass der Betriebsrat ohne konkrete Darlegung der Erforderlichkeit keinen Anspruch auf eine pauschale, vollständige Freistellung eines Betriebsratsmitglieds hat, solange die gesetzliche Mindeststaffel des § 38 BetrVG nicht überschritten ist. Dem Antrag wurde zweitinstanzlich stattgegeben (vgl. LAG Rheinland-Pfalz 16.07.2015 - 5 TaBV 5/15).

Durch einen anonymen Informanten erhielt die Gewerkschaft EGV den Hinweis, dass die Beklagte eine Observation des Klägers durch eine Detektei veranlasst hatte. Im Dienstleistungsvertrag mit der Detektei vom 10.09.2014 ist folgendes Honorar (ohne MwSt.) vereinbart:

Grundgebühr für Verwaltungsaufwand, Maßnahmenplanung und Berichterstattung

135,- EUR

Stundenhonorar pro Detektiv ab Einsatzort

69,- EUR

Zuschlag Sonderzeit (Sonn- und Feiertage sowie Nachtstunden von 18:00 Uhr bis 6:00 Uhr)

50 %

Kilometervergütung ab Einsatzort

0,95 EUR/km

Anfahrtspauschale (pro Detektiv)

69,- EUR

Insgesamt stellte die Detektei der Beklagten folgende Rechnungen:

Rechnungsdatum

für Dienstleistungen von

bis

Betrag EUR (ohne MwSt.)

08.10.2014

22.09.2014

26.09.2014

6.795,80

23.10.2014

13.10.2014 20.10.2014

17.10.2014 23.10.2014

17.156,70

10.11.2014

30.10.2014

07.11.2014

15.245,35

SUMME

39.197,85

Mit seiner am 14.08.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger die Zahlung einer Entschädigung wegen schwerer Verletzung seines Persönlichkeitsrechts. Das am selben Tag von der Gewerkschaft EGV, dem Gesamtbetriebsrat, dem Betriebsrat und dem Kläger gegen die Beklagte wegen der Observation eingeleitete Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht Kaiserslautern (Az. 3 BV 23/15) endete durch Abschluss eines Vergleichs am 11.04.2016.

In einem an die Beklagte gerichteten Bestätigungsschreiben vom 26.08.2015 führte die Detektei folgendes aus:

"...

Inhalt des von Ihnen erteilten Auftrages (Oktober bis November 2014) war die Observation des [Klägers] mit dem Ziel vertragswidriges Verhalten bzw. Fehlverhalten im Rahmen seiner Tätigkeit [bei der Beklagten] festzustellen. Im Raum stand der Verdacht des Arbeitszeitbetruges aus einer Zweittätigkeit resultierend. Diesen Verdacht galt es zu verifizieren bzw. zu falsifizieren.

Die Observationen fanden ausschließlich zu den Arbeitszeiten [des Klägers] statt, der private Lebensbereich wurde durch die Ermittlungen nicht tangiert. Es wurden weder Telefonate abgehört noch wurden E-Mails abgefangen, auch sonstige Arten der Korrespondenz w...

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