Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Feuerwehrmanns der US-Stationierungsstreitkräfte bei unvollständiger Unterrichtung der Betriebsvertretung. Fehlerhafte Anhörung der Betriebsvertretung bei Vorenthaltung entlastender Zeugenaussage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Nach Art. 56 Abs. 9 ZA-NTS (Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut) gelten für die Betriebsvertretung der zivilen Arbeitskräfte bei einer Truppe und einem zivilen Gefolge die für die zivilen Bediensteten bei der Bundeswehr maßgebenden Vorschriften des deutschen Rechts über die Personalvertretung, soweit in dem auf diesen Artikel Bezug nehmenden Abschnitt des Unterzeichnungsprotokolls nicht etwas anderes bestimmt ist; damit findet auf die Betriebsvertretung für die zivilen Arbeitskräfte bei den amerikanischen Streitkräften das Bundespersonalvertretungsgesetz Anwendung.

2. Gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 des auf die Betriebsvertretung anzuwendenden Bundespersonalvertretungsgesetzes ist vor fristlosen Entlassungen und außerordentlichen Kündigungen die Betriebsvertretung anzuhören; der Dienststellenleiter hat nach § 79 Abs. 3 Satz 2 BPersVG die beabsichtigte Maßnahme zu begründen.

3. Für die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung sind die zur Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG entwickelten Grundsätze entsprechend anzuwenden.

4. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört auch die Unterrichtung über der Arbeitgeberin bekannte und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsame Tatsachen, die den Arbeitnehmer entlasten und deshalb gegen den Ausspruch einer Kündigung sprechen können; nach Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens ist eine bewusst und gewollt unrichtige oder unvollständige Mitteilung der für den Kündigungsentschluss der Arbeitgeberin maßgebenden Kündigungsgründe wie eine Nichtinformation des Betriebsrats zu behandeln.

5. Leitet der kündigungsberechtigte Dienststellenleiter eine ihm übergebene Zeugenaussage, die von der amerikanischen Kriminalpolizei (CID) protokolliert worden war und die den bei den US-Stationierungsstreitkräften beschäftigten Arbeitnehmer erkennbar entlastet, nicht an die Betriebsvertretung weiter, während dem Anhörungsschreiben als Anlagen die Ermittlungsberichte des CID mit den Ergebnissen der einzelnen Aussagen der übrigen Beschäftigten, die vom CID als Zeugen vernommen worden sind, beigefügt sind, liegt keine ordnungsgemäße Anhörung der Betriebsvertretung vor.

 

Normenkette

KSchG § 13 Abs. 1 S. 3; BPersVG § 79 Abs. 3-4; ZA-NTS Art. 56 Abs. 9; BPersVG § 79 Abs. 3 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 15.01.2014; Aktenzeichen 1 Ca 847/13)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 15.01.2014 - 1 Ca 847/13 - abgeändert:

Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers bei den US-Streitkräften durch die Kündigung vom 20.06.2013 nicht beendet worden ist.

Der Auflösungsantrag der Beklagten wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.

Der 1964 geborene, verheiratete und drei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger war seit 06. September 1982 bei der C. als Feuerwehrmann beschäftigt, zuletzt als stellvertretender Leiter der Feuerwehr.

Am 09. April 2013 wurden im Rahmen einer Hausdurchsuchung auf dem Privatgrundstück des Klägers, einem ehemaligen Militärgelände, mehrere nicht mehr auf den Inventurlisten der C. aufgeführte Geräte und Materialien vorgefunden und sichergestellt. Ein entsprechender Ermittlungsbericht der amerikanischen Kriminalpolizei (CID) würde dem damaligen Dienststellenleiter des Klägers, Herrn Z., zugeleitet, der daraufhin den Kläger am 12. Juni 2013 zum Vorwurf des Diebstahls anhörte.

Die örtliche Betriebsvertretung wurde zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des mit dem Kläger bestehenden Arbeitsverhältnisses mit Anhörungsschreiben vom 14. Juni 2013 (Bl. 51, 52 d. A.) angehört, dem als Anlagen eine eidesstattliche Versicherung des Herrn G. D. J. vom 30. April 2013 nebst Übersetzung und Auflistung der sichergestellten Geräte und Materialien (Anlage B 4 = Bl. 53 bis 61 d. A.), das Protokoll der Anhörung des Klägers vom 12. Juni 2013 (Anlage B 5 = Bl. 62 bis 64 d. A.), der CID-Bericht vom 09. April 2013 nebst Übersetzung (Anlage B 6 = Bl. 65, 66 d. A.), der CID-Bericht vom 20. Mai 2013 nebst Übersetzung (Anlage B 7 = Bl. 67 bis 74 d. A.), der CID-Bericht vom 02. Juni 2013 nebst Übersetzung (Anlage B 8 = Bl. 75 bis 79 d. A.) und der CID-Bericht vom 04. Juni 2013 nebst Übersetzung (Anlage B 9 = Bl. 80 bis 85 d. A.) beigefügt waren. Hingegen wurde die schriftliche Aussage des Herrn M. H. vom 12. Juni 2013 beim CID (Anlage B 12 = Bl. 119 bis 124 d. A.), die dem damaligen Dienststellenleiter des Klägers, Herrn Z., am 13. Juni 2013 übergeben worden war, nicht an die Betriebsvertretung weitergereicht. Mit Schreiben vom 20. Juni 2013 (A...

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