Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Berufungsbegründung. Betriebsbedingte Kündigung i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Darlegungslast des Arbeitgebers bezüglich des Wegfalls des Arbeitsplatzes bei der betriebsbedingten Kündigung. Betriebsübergang i.S.d. § 613a Abs. 1
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berufungsbegründung muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Sie muss auf den zur Entscheidung stehenden Fall zugeschnitten sein und sich mit den rechtlichen und tatsächlichen Argumenten des angefochtenen Urteils befassen. Bloße formelhafte Wendungen oder Wiederholungen bisherigen Vorbringens reichen nicht aus.
2. Eine Kündigung ist im Sinn von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt, wenn der Bedarf für eine Weiterbeschäftigung des gekündigten Arbeitnehmers im Betrieb voraussichtlich dauerhaft entfallen ist. Dazu müssen im Tätigkeitsbereich des Gekündigten mehr Arbeitnehmer beschäftigt sein, als zur Erledigung der zukünftig anfallenden Arbeiten benötigt werden.
3. Läuft die unternehmerische Entscheidung letztlich nur auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, so sind gesteigerte Anforderungen an die Darlegungslast zu stellen. Der Arbeitgeber muss - im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast - die Auswirkungen seiner unternehmerischen Vorgaben und Planungen auf das erwartete Arbeitsvolumen anhand einer schlüssigen Prognose im Einzelnen darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können.
4. Ein Betriebsübergang liegt nur dann vor, wenn die maßgebliche wirtschaftliche Einheit beim Übergang auf einen neuen Inhaber ihre Identität wahrt. Um feststellen zu können, ob die wirtschaftliche Einheit ihre Identität bewahrend übergegangen ist, sind alle den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen zu bewerten. Ein Betriebsübergang liegt dann vor, wenn ein neuer Rechtsträger die wirtschaftliche Einheit unter Wahrung von deren Identität fortführt.
Normenkette
BGB § 613 a Abs. 1, 4; InsO §§ 113, 125, 128; KSchG § 1; BetrVG § 102 Abs. 1, § 111; KSchG § 17; SGB IX § 178; ZPO § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 01.06.2021; Aktenzeichen - 4 Ca 141/21) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 01.06.2021 - 4 Ca 141/21 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten (im Berufungsverfahren nur noch) darüber, ob das zwischen der Gemeinschuldnerin und der Klagepartei bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Arbeitgeberkündigung sein Ende gefunden hat, oder aber nicht, sowie darüber, ob zwischen der Klagepartei und der Beklagten zu 2) ein Arbeitsverhältnis zu den zuletzt zwischen der Klagepartei und dem Beklagten zu 1) geltenden Arbeitsbedingungen vom 30.04.2021 fortbesteht.
Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der E. Schuhfabrik GmbH A-Stadt, der Gemeinschuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde zunächst in Eigenverwaltung am 01.12.2020 eröffnet. Am 01.03.2021 wurde der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Klagepartei ist seit dem 03.01.2001 bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt, zuletzt zu einer Bruttomonatsvergütung in Höhe von ca. 2.600,- EUR. Die Klagepartei war als Arbeiter bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt.
Am 22./25.01.2021 wurde zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Betriebsrat ein Interessenausgleich mit Namensliste abgeschlossen; die Klagepartei ist in dieser Namensliste aufgeführt. Der Interessenausgleich, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 51 ff. d.A. Bezug genommen wird, enthält u.a. folgende Regelungen:
"Vorbemerkung:
...
Gegenstand des Unternehmens der E. Schuhfabrik GmbH ist die Kollektionsentwicklung, Herstellung und der Vertrieb von Schuhwaren; Gegenstand des Unternehmens der E. Retail GmbH ist der Handel mit von der E. Schuhfabrik GmbH produzierten Schuhwaren über Shops.
Es hat sich herausgestellt, dass das Unternehmen der E. Schuhfabrik GmbH aus eigener Kraft nicht überlebensfähig ist und ohne übertragende Sanierung stillgelegt werden muss. Trotz intensiver Suche war der Investorenprozess nicht erfolgreich. Vor diesem Hintergrund kann der Betrieb der E. Schuhfabrik GmbH nicht mehr fortgeführt werden, sondern ist stillzulegen. Auch der Betrieb der E. Retail GmbH ist stillzulegen.
Die Betriebsparteien haben die Situation der Unternehmen ausführlich erörtert. Sie haben sich unter anderem darauf verständigt, auch das Konsultationsverfahren gem. § 17 Abs. 2 KSchG sowie die weiteren Beteiligungsrechte in Bezug auf die Europäische Massenentlassungsrichtlinie und die §§ 17 ff. KSchG mit dem Interessenausgleichsverfahren zu verbinden.
...
§ 1
Geltungsbereich
Der Geltungsbereich dieser Vereinbarung erfasst ...