Entscheidungsstichwort (Thema)
Haft. Kündigung. Kündigung wegen Verkürzung einer Haftstrafe
Leitsatz (redaktionell)
Die Verbüßung einer längeren Haftstrafe kann als wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung geeignet sein. Jedoch können auch in einem solchen Fall die Umstände des Einzelfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 20.04.2007; Aktenzeichen 3 Ca 2734/06) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 20.04.2007 Az.: 3 Ca 2734/06, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier außerordentlicher Kündigungen.
Der am 02.04.1952 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 27.02.1984 als Maschinenführer – Kreisschere – beschäftigt. Er ist Mitglied des im Betrieb der Beklagten gebildeten Betriebsrats.
Der Kläger erschien ab dem 04.12.2006 nicht mehr zur Arbeit. Grund hierfür war der Umstand, dass er am 03.12.2006 eine sechsmonatige Haftstrafe antrat, die das Landgericht Kaiserslautern am 24.08.2005 gegen ihn wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängt hatte. Die Beklagte erfuhr von der Inhaftierung des Klägers erst am 05.12.2006.
Mit Schreiben vom 15.12.2006 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, nachdem der Betriebsrat zuvor seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung erklärt hatte.
Mit Beschluss des Landgerichts Mainz vom 23.01.2007 wurde die Aussetzung der Vollstreckung einer gegen den Kläger, ebenfalls wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten neunmonatigen Freiheitsstrafe widerrufen. Hiervon erfuhr die Beklagte in der Güteverhandlung vom 30.01.2007. Sie kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis erneut fristlos mit Schreiben vom 05.02.2007. Auch hinsichtlich dieser Kündigung hatte der Betriebsrat zuvor seine Zustimmung erteilt.
Gegen die beiden außerordentlichen Kündigungen richtet sich die vom Kläger am 29.12.2006 eingereichte und – bezüglich der Kündigung vom 05.02.2007 – am 13.02.2007 erweiterte Klage.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche, arbeitgeberseitige Kündigung vom 15.12.2006 zum gleichen Tage gekündigt worden ist, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wird,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 05.02.2007 zum gleichen Tage sein Ende findet, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus fortgesetzt wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Von einer weitergehenden Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 20.04.2007 (Bl. 87 – 95 d.A.).
Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 20.04.2007 stattgegeben. Zur Darstellung der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 9 – 15 dieses Urteils (= Bl. 95 – 101 d.A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 21.06.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.07.2007 Berufung eingelegt und diese am 20.08.2007 begründet.
Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, das Arbeitsgericht sei bei seiner Entscheidung von einer kürzeren als der tatsächlich zu erwartenden Haftdauer ausgegangen und habe die erstinstanzlich vorgetragenen, durch die Inhaftierung des Klägers verursachten Betriebsablaufstörungen nicht angemessen berücksichtigt. Überdies komme es in Ansehung der zu erwartenden Haftdauer nicht mehr auf das Ausmaß der Betriebsablaufstörungen an. Es könne nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass der Kläger nach Verbüßung von zwei Drittel der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafe aus der Haft entlassen werde. Darüber hinaus habe man aus der Belegschaft erfahren, dass der Kläger voraussichtlich erst im Februar 2009 die Haftanstalt werde verlassen können. Offenbar bestünden also noch weitere Strafen von mindestens zehn Monaten aus anderen Verfahren, zu denen sich der Kläger bislang nicht geäußert habe. Bei Kündigungsausspruch sei sie – die Beklagte – daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund mehrerer Verurteilungen auf absehbare Zeit nicht an seinen Arbeitsplatz werde zurückkehren können. Bereits die haftbedingte Ungewissheit über den Zeitpunkt der Rückkehr des Klägers an seinen Arbeitsplatz führe zu einer erheblichen Beeinträchtigung betrieblicher Interessen. Wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, habe der Ausfall des Klägers auch tatsächlich zu erheblichen Beeinträchtigungen geführt. So sei es in den Monaten Dezember 2006 bis Februar 2007 in einer Vielzahl von Fällen zu einer Überschreitung der geplanten Liefertermine um bis zu 13 Tage gekommen. Diese Verspätungen hätten auch logistische Probleme und höhere Kosten verursacht. Es sei auch bei den Mitarbeitern zu Prämienverlusten gekommen, weil Personal von anderen Maschinen habe abgezogen und eingearbeitet we...