Entscheidungsstichwort (Thema)

Beenden des Arbeitsverhältnisses unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist durch betriebsbedingte Kündigung eines Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber bereits im Rahmen einer vorhergehenden Kündigung zur Begründung vorgebracht hat und welche in dem in diesem Zusammenhang geführten Prozess entsprechend materiell geprüft worden sind, mit dem Ergebnis, dass sie eine derartige Kündigung nicht rechtfertigen. Eine Wiederholung der früheren Kündigung ist dem Arbeitgeber in diesem Fall verwehrt. Eine Präklusionswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung hingegen nur bei Vorliegen eines identischen Kündigungssachverhalts. Soweit sich dieser wesentlich geändert hat, ist der Arbeitgeber berechtigt, ein weiteres Mal zu kündigen.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2; ZPO § 286; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 29.06.2022; Aktenzeichen 4 Ca 2727/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - 4 Ca 2727/20 - vom 29. Juni 2022 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung, die die Beklagte auf betriebsbedingte Gründe stützt.

Die 1959 geborene Klägerin war ab 15. Februar 1993 kraft schriftlichen Arbeitsvertrags vom gleichen Tag bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging - wegen unstreitigen Vorliegens der Voraussetzungen eines Teilbetriebsübergangs - zum 01. Juni 2003 auf die Beklagte über. Es bestimmte sich zuletzt nach den Bestimmungen des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 17. April 2003, nach dem die Klägerin als kaufmännische Angestellte beschäftigt war. Die Klägerin führte zuletzt mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von 32 Wochenstunden bei einem Bruttomonatseinkommen von 4.966,00 EUR alle im Betrieb anfallenden Lohn- und Finanzbuchhaltungstätigkeiten aus. Neben der Klägerin war im Bereich Büro noch die weitere Angestellte Z. mit 24 Wochenstunden mit Verwaltungstätigkeiten befasst und die Auszubildende Y. eingesetzt.

Die Beklagte, die durch die Geschäftsführer X. und W. vertreten wird, beschäftigt in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden im Jahr 2017 waren zunächst noch 16 Mitarbeiter bei ihr tätig. Der Geschäftsführer der Beklagten X. ist zugleich Inhaber des einzelkaufmännischen Unternehmens "V. X. Metallbau". Das Einzelunternehmen besitzt alle Gebäude und Maschinen, die von der Beklagten sowie der X. GmbH angemietet werden, und ist für das operative Geschäft nicht zuständig.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019, der Klägerin zugegangen am 26. Oktober 2019, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis infolge einer arbeitsvertraglich vereinbarten Altersbefristung mit Ablauf des 26. Oktober 2019 seine Beendigung finden werde, und kündigte "rein vorsorglich" das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2020, hilfsweise zum nächst möglichen Termin. Die Beklagte stützte die Kündigung auf betriebsbedingte Gründe und machte einen Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin geltend.

Auch das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin Z. wurde gekündigt. Diese war ab 13. Dezember 2019 nicht mehr im Betrieb der Beklagten tätig. Die Auszubildende Y. war bis 29. Mai 2020 bei der Beklagten beschäftigt. Zuletzt beschäftigte die Beklagte im Juni 2020 einschließlich der Klägerin insgesamt nur noch 11 Mitarbeiter.

Die seit 28. Oktober 2019 durchgehend arbeitsunfähig erkrankte Klägerin hat sich beim Arbeitsgericht Koblenz gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer arbeitsvertraglichen Altersgrenzenregelung gewandt und zugleich die Unwirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Kündigung vom 25. Oktober 2019 geltend gemacht. Das Arbeitsgericht hat ihrer Klage mit Urteil vom 2. Juli 2020 - 2 Ca 3442/19 - stattgegeben. Das Urteil wurde der Beklagten am 07. Juli 2022 zugestellt.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2020, der Klägerin zugegangen am 20. Juli 2020, erklärte die Beklagte daraufhin erneut vorsorglich eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 28. Februar 2021, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin.

Die Klägerin hat gegen diese Kündigung am 6. August 2020 beim Arbeitsgericht vorliegende Kündigungsschutzklage erhoben und die Erteilung eines qualifizierten Zwischenzeugnisses verlangt, welches sie mit Schreiben vom 27. Juli 2020 erfolglos bei der Beklagten angefordert hatte.

Für die Zeit ab dem 1. August 2020 vereinbarten die Parteien ein Prozessarbeitsverhältnis. Die Klägerin nahm eine Tätigkeit nicht auf, da sie weiterhin arbeitsunfähig erkrankt war. Unter dem 19./ 23. März 2021 vereinbarten die Parteien mit Wirkung ab 29. März 2021 eine Prozessbeschäftigung bei verringertem Arbeitsvolumen von 21 Stunden pro Woche. Die Klägerin verrichtete die Prozessbeschäftigung für einen Tag, wobei die Bekla...

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