Entscheidungsstichwort (Thema)

Unwirksame vertragliche Begrenzung des Arbeitsverhältnisses auf 60 Jahre. Prognoseentscheidung im Rahmen der unternehmerischen Entscheidung für eine betriebsbedingte Kündigung. Unwirksamkeit der betriebsbedingten Kündigung mangels dringender betrieblicher Erfordernisse

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die vertragliche Befristung des Arbeitsvertrags bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres ist unwirksam, da sie nicht mit § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 TzBfG vereinbar ist und im Übrigen auch nicht dem Willen der Arbeitnehmerin entspricht.

2. Die betriebsbedingte Kündigung ist nicht gerechtfertigt, da dringende betriebliche Erfordernisse fehlen. Die unternehmerische Entscheidung, die Verwaltungstätigkeiten zu reduzieren und zukünftig durch die beiden Geschäftsführer ausüben zu lassen, bestand im Zeitpunkt der Kündigung nicht als gesicherte Prognose.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1-2; TzBfG § 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 Nr. 6; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 02.07.2020; Aktenzeichen 2 Ca 3442/19)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 02.07.2020 - 2 Ca 3442/19 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer vertraglich vereinbarten Altersgrenze beendet wurde, und über die Wirksamkeit einer vorsorglich ausgesprochenen betriebsbedingten Kündigung.

Die1959 geborene Klägerin war bei der Beklagten aufgrund des Arbeitsvertrags der Parteien vom 17. April 2003 (Bl. 5 - 8 d. A.) seit dem 01. Juni 2003 als kaufmännische Angestellte zuletzt mit 32 Wochenstunden beschäftigt. Zuvor stand die Klägerin ab dem 15. Februar 1993 aufgrund Arbeitsvertrags vom gleichen Tag (Bl. 4 d. A.) bei der Rechtsvorgängerin in einem Arbeitsverhältnis, das im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte übergegangen ist. Der Arbeitsvertrag der Klägerin vom 15. Februar 1993 enthält in Ziffer 5 ("Kündigung" a.E.) folgende Regelung: "Das Arbeitsverhältnis endet mit Erreichen des 65. Lebensjahres bzw. bei weiblichen Arbeitnehmern mit dem 60. Lebensjahr." In § 5 des Arbeitsvertrags der Parteien vom 17. April 2003 heißt es:

"§ 5 Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Kündigungsfrist 4 Mon. zum Quartalsende.

2. Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung mit Vollendung des 60. Lebensjahres."

Die Klägerin führte zuletzt als kaufmännische Angestellte mit einem Bruttomonatseinkommen von 4.966,00 EUR alle anfallenden Lohn- und Finanzbuchhaltungstätigkeiten aus.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2019 (Bl. 9 d. A.), welches der Klägerin am 26. Oktober 2019 zuging, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass ihr Arbeitsverhältnis aufgrund § 5 Ziff. 2 des Arbeitsvertrages vom 17. April 2003 mit Ablauf des 26. Oktober 2019 seine Beendigung finden werde, und kündigte "rein vorsorglich" das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31. März 2020, hilfsweise zum nächst möglichen Termin.

Im Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte die Beklagte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden. Neben der zuletzt mit 32 Wochenstunden beschäftigten Klägerin, die seit dem 28. Oktober 2019 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt ist, waren im Büro mit Verwaltungstätigkeiten noch eine weitere Angestellte (Frau W.) mit 24 Wochenstunden eingesetzt und eine Auszubildende (Frau H.) tätig. Das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin W., die seit Dezember 2019 nicht mehr für die Beklagte tätig war, wurde ebenfalls gekündigt. Die Auszubildende, Frau H., war bis Ende Mai 2020 tätig.

Mit ihrer am 08. November 2019 beim Arbeitsgericht D-Stadt eingegangen Klage hat sich die Klägerin gegen die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund der im Arbeitsvertrag der Parteien enthaltenen Altersgrenzenregelung zum 26. Oktober 2019 gewandt und die Unwirksamkeit der vorsorglich ausgesprochenen Kündigung vom 25. Oktober 2019 geltend gemacht.

Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts D-Stadt vom 02. Juli 2020 - 2 Ca 3442/19 - Bezug genommen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

  1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund Zeitablaufs zum 26. Oktober 2019 geendet hat,
  2. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Kündigung vom 25. Oktober 2019, zugegangen am 26. Oktober 2019, zum 31. März 2019 enden wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen

Mit Urteil vom 02. Juli 2020 hat das Arbeitsgericht der Klage stattgegeben und festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristung vom 17. April 2003 zum 26. Oktober 2019 endete und auch nicht aufgrund der Kündigung vom 25. Oktober 2019 beendet wurde. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.

Gegen das ihr am 07. Juli 2020 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat di...

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