Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnungserfordernis. Auflösungsantrag. Kernzeitverletzung. Kündigung, verhaltensbedingte. Verhaltensbedingte Kündigung wegen Kernzeitverletzung. Auflösungsantrag des Arbeitnehmers

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Kernzeitverletzungen sind abmahnungswürdig.

2. Es kann den Auflösungsantrag eines Arbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess stützen, wenn durch das nachträgliche Stellen einer Strafanzeige ein besonderer Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt wurde, insbesondere um ihn zu einer Akzeptanz der ordentlichen Kündigung ohne Abfindung zu bewegen (hier offen gelassen).

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 06.03.2009; Aktenzeichen 2 Ca 1220/08)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 6.3.2009 – 2 Ca 1220/08 – wird zurückgewiesen.

Das Arbeitsverhältnis der Parteien wird zum Ablauf des 31.12.2008 aufgelöst.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 27.850,36 EUR zu zahlen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen hilfsweisen ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung, um Weiterbeschäftigung, um Zahlungsansprüche bis zum Ablauf der Kündigungsfrist und um die Berechtigung eines in der Berufungsinstanz gestellten arbeitnehmerseitigen Auflösungsantrages.

Der Kläger wurde seit 07. November 1999 von der Beklagten, die ca. 2800 Arbeitnehmer hat, als New Productmanager mit einem außertariflichen Gehalt von 6.936,– EUR brutto und vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 26,59 EUR beschäftigt.

Der schriftliche abgefasste Anstellungsvertrag sieht u. a. vor, dass mit dem außertariflichen Monatsentgelt eventuell anfallende Mehrarbeit abgegolten sei.

Bezüglich der Arbeitszeit enthält der Vertrag folgende Regelung:

§ 4 Arbeitszeit

Die für die A. relevanten tariflichen Bestimmungen über Arbeitszeit und Arbeitsbefreiungen in besonderen Fällen gelten mit der Maßgabe, dass hierbei in besonderem Maße die betrieblichen Belange zu berücksichtigen sind.

Sie verpflichten sich, Ihre ganze Arbeitskraft in den Dienst des Unternehmens zu stellen. Wenn es im Interesse des Unternehmens erforderlich ist, erbringen Sie auch Mehrleistungen außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit.

Eine Betriebsvereinbarung vom 25. Juni 2001 über die gleitende Arbeitszeit sieht als wöchentliche Soll- Arbeitszeit 38 Stunden und als Kernzeit von Montag bis Donnerstag 08:30 Uhr bis 15:30 Uhr und Freitag von 08:30 bis 12:30 Uhr vor. Die geleistete Arbeitszeit wird entsprechend Ziffer 5.1 der Betriebsvereinbarung durch im Unternehmen aufgestellte Zeiterfassungsgeräte erfasst.

Mit Schreiben vom 04.09.2002 erhielt der Kläger wegen 8 Verspätungen in der Zeit vom 12. August 2002 bis 03. September 2002 zwischen 08:34 Uhr bis 08:48 Uhr eine Abmahnung. Am 23. Mai 2007 wurde mit dem Kläger ein sog. Erwartungsgespräch geführt.

Mit Schreiben vom 14. Mai 2008 erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2008.

Mit seiner am 21. Mai 2008 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage hat sich der Kläger gegen die Kündigungen gewandt.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen,

entgegen dem Vortrag der Beklagten habe er gegenüber der Personalabteilung keine bewussten Falschangaben hinsichtlich des Beginns seiner Arbeitszeit gemacht. Er habe keinen Lohn erschlichen, da er regelmäßig über die Mindestarbeitszeit hinaus gearbeitet habe und alle Stunden, die über 20 Überstunden im Monat hinausgingen, verfallen seien. In der Vergangenheit sei regelmäßig durch Überstunden aufgebautes Zeitguthaben gestrichen worden. Dies im Hinblick auf die Praxis der Beklagten, am Monatsende die über 20 Stunden hinausgehenden Stunden ersatzlos zu streichen. Es werde auch bestritten, dass die von der Beklagten angegebenen „Drehkreuzzeiten” mit tatsächlichen Uhrzeiten übereinstimmten. Soweit er an 9 Tagen nicht abgestempelt habe, sei eine Nachbefragung durch die Personalabteilung erst bis zu 3 Wochen später erfolgt; er habe dann Angaben nach seiner Erinnerung gemacht, wobei eventueller Irrtum möglich sei.

Soweit die Beklagte sich zur Begründung der Kündigung auf Angaben der Mitarbeiterinnen Z. und X. berufe, sei das diesbezügliche Vorbringen bereits unsubstantiiert und werde bestritten.

Mit der Klage werde außerdem der Anspruch auf Weiterbeschäftigung geltend gemacht und Vergütungszahlung aus Annahmeverzug für den Zeitraum nach der außerordentlichen Kündigung bis 31.12.2008 abzüglich bezogenen Arbeitslosengeldes; hilfsweise werde Urlaubsabgeltung und Karenzentschädigung nach § 10 des Arbeitsvertrages der Parteien geltend gemacht.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

1. a) Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 14.05.2008, zugegangen am 14.05.2008, nicht aufgelöst worden ist.

1. b) Es wird festgestell...

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