Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund. Illoyales Verhalten und grobe Beleidigungen als Gründe für eine fristlose Kündigung. Abgrenzung zwischen freier Meinungsäußerung und Persönlichkeitsverletzung Dritter. Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung. Erklärung der Unwirksamkeit einer nachvertraglichen Wettbewerbsvereinbarung. Schadensersatzanspruch aus § 717 Abs. 2 ZPO bei vorläufiger Vollstreckung nach späterer Aufhebung des Titels

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Illoyales Verhalten und grobe Beleidigungen können Gründe für eine fristlose Kündigung sein, wenn dem Kündigenden eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

2. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt nicht schrankenlos. Auch unterhalb der Schwelle eines strafbaren Verhaltens muss der Arbeitnehmer angemessen auf Persönlichkeitsrechte seines Vorgesetzten Rücksicht nehmen.

3. Die Zwei-Wochen-Frist zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt.

4. Bei der zulässigen Erklärung der Unwirksamkeit einer nachträglichen Wettbewerbsvereinbarung binnen eines Monats nach der Kündigung entfallen sowohl die Pflicht zur Zahlung der Karenzentschädigung als auch der Anspruch auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens.

5. Ist in einen Entgeltbetrag vollstreckt worden, der Titel aber später weggefallen, umfasst der Schaden nicht nur den Nettoentgeltbetrag, sondern auch die vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer gezahlte Lohnsteuer, den Solidaritätszuschlag und ggfs. die Kirchensteuer.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 276 Abs. 2, § 626 Abs. 1-2; GG Art. 5 Abs. 1; HGB § 75 Abs. 1; ZPO § 717 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 05.04.2017; Aktenzeichen 3 Ca 1108/16)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 5. April 2017, Az. 3 Ca 1108/16, unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 7.916,67 brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.
    2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein qualifiziertes Arbeitszeugnis zu erteilen.
    3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Der Kläger wird auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte € 570.836,84 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 45.919,66 vom 01.04. bis 15.08.2017, aus € 569.457,34 vom 16.08. bis 22.08.2017 und aus € 570.836,84 seit dem 23.08.2017 zu zahlen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz hat der Kläger zu tragen.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer fristloser Kündigungen und unter anderem darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Karenzentschädigung zu zahlen.

Die beklagte Aktiengesellschaft gehört zur H.-Gruppe, einem Baumarktkonzern. Sie ist die größte Tochtergesellschaft der H. Holding AG & Co. KGaA, der Konzernmutter. Die Beklagte betreibt 98 Bau- und Gartenmärkte in Deutschland. Über ihre Tochtergesellschaft, die H. International GmbH, werden 56 weitere Bau- und Gartenmärkte in acht europäischen Ländern (Luxemburg, Niederlande, Österreich, Rumänien, Slowakei, Schweden, Schweiz und Tschechien) betrieben.

Der 1960 geborene Kläger trat am 01.03.1996 in die H.-Gruppe in den Niederlanden ein. Vom 01.05.1998 bis 29.02.2008 war er Geschäftsführer der niederländischen Landesgesellschaft. Vom 01.03.2008 bis 29.02.2012 war er als Geschäftsführer der tschechischen Landesgesellschaft, der H. Baumarkt CS spol. s.r.o., in Prag tätig und für das Geschäft in Tschechien sowie in der Slowakei zuständig. Am 14.03.2012 schlossen die Parteien mit Wirkung ab dem 01.03.2012 einen Anstellungsvertrag, auf dessen Grundlage der Kläger die Funktion eines "Geschäftsführers International" bei der Beklagten übernahm. Der Kläger war Disziplinarvorgesetzter von sieben Landesgeschäftsführern. Seine Tätigkeit übte er unmittelbar unterhalb der Vorstandsebene aus. Er erbrachte seine Tätigkeit insbesondere in Deutschland und in den Niederlanden. Er bezog zuletzt ein monatliches Festgehalt von € 19.000,00 brutto. Als Sonderzahlung war ein Weihnachtsgeld in Höhe eines Bruttogehalts vereinbart. Zusätzlich erhielt der Kläger für das Geschäftsjahr 2014/2015 einen Bonus von € 71.542,79 brutto und für das Geschäftsjahr 2015/2016 einen Bonus von € 44.974,00 brutto.

Im schriftlichen Anstellungsvertrag vom 14.03.2012 ist ua. geregelt worden:

"§ 7 Verschwiegenheitspflicht

1. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, über alle vertraulichen Angelegenheiten und Vorgänge, die ihm im Rahmen der Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, auch nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis Stillschweigen zu bewahren.

2. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, im Rahmen des Arbeitsverhältnisses bekannt gewordene Geschäfts- oder Betrie...

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