Entscheidungsstichwort (Thema)

Führen der nicht fristgerechten Auskunftserteilung zu einem immateriellen Schadensersatzanspruch eines Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

Die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt als solche keinen immateriellen Schaden dar (ebenso LAG Baden-Württemberg 27. Juli 2023 - 3 Sa 33/22).

 

Normenkette

DSGVO Art. 12 Abs. 3, Art. 15 Abs. 1, Art. 82, 82 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mainz (Entscheidung vom 01.06.2023; Aktenzeichen 6 Ca 350/22)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz - Auswärtige Kammern Bad Kreuznach - vom 1. Juni 2023, Az. 6 Ca 350/22, abgeändert und die Klage abgewiesen.

2. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von den Kosten erster Instanz trägt die Klägerin 70 % und die Beklagte 30 %.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch über immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Die Beklagte, ein R. Service Center, betreibt ua. am Standort F. H. ein Call-Center für Frachtkommissionierung. Sie beschäftigt an diesem Standort ca. 100 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Die Beklagte ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der L. Industry Solutions und somit Teil der L.gruppe; sie ist nicht tarifgebunden.

Die im August 1964 geborene Klägerin ist seit dem 1. November 2002 bei der Beklagten zu einer Monatsvergütung von zuletzt € 2.080,00 brutto (ab Oktober 2022) als Mitarbeiterin im Service-Center in der 40-Stunden-Woche beschäftigt. Mit Bescheid vom 20. November 2014 wurde ihr ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 zuerkannt. Am 22. Juni 2015 wurde sie mit Wirkung ab 16. Dezember 2014 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Klägerin ist seit dem Jahr 2015 Mitglied der Schwerbehindertenvertretung. Im Jahr 2022 war sie ua. im Zeitraum vom 12. Juli bis 14. September 2022 arbeitsunfähig erkrankt.

Mit Klageschrift vom 12. Juli 2022 verlangte die Klägerin zunächst die Entfernung von zwei Abmahnungen aus ihrer Personalakte, die ihr die Beklagte am 29. Juni 2022 mit den Bezeichnungen "Verletzung Datenschutz besonders schützenswerter Daten" und "Störung des Betriebsfriedens" erteilt hatte (Klageanträge zu 1 und 2). Mit außergerichtlichem Schreiben vom 13. Juli 2022, der Beklagten am 14. Juli 2022 zugegangen, begehrte die Klägerin mit Verweis auf Art. 15 DSGVO

"im Einzelnen ... folgende Auskunft über

- die Zwecke, für die meine personenbezogenen Daten verarbeitet werden;

- die Kategorien personenbezogener Daten, die insoweit verarbeitet werden;

- die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, ggü. denen die personenbezogenen Daten von mir offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden;

- die geplante Dauer, für die ihre personenbezogenen Daten von mir gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer;

- die personenbezogenen Daten, die nicht bei mir erhoben worden sind, mir Auskunft zu erteilen über alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der Daten;

- das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 DSGVO und in diesen Fällen aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für mich."

Gleichzeitig verlangte sie, ihr eine Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte erteilte die gewünschten Auskünfte mit Schreiben vom 30. August 2022, der Klägerin am 2. September 2022 zugegangen; eine Datenkopie übermittelte sie nicht.

Mit Klageerweiterung vom 2. Februar 2023 beantragte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten, ihr Kopien der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen (Klageantrag zu 3). Ferner verlangte sie nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO die Zahlung von Schadensersatz iHv. € 3.000,00 wegen verspäteter und unvollständiger Auskunft (Klageantrag zu 4). Sie führte aus, ihr sei ein immaterieller Schaden entstanden, der im Kontrollverlust über ihre personenbezogenen Daten liege. Der geforderte Betrag von € 3.000,00 setze sich wie folgt zusammen: für die Verspätung mindestens € 500,00, für die unvollständige Auskunft (keine Kopie) pro Monat jeweils € 500,00, also € 1.000,00; für den Zeitraum von Oktober 2022 bis Januar 2023 weitere € 2.000,00.

Im Kammertermin vom 1. Juni 2023 schlossen die Parteien vor dem Arbeitsgericht einen Teilvergleich. Die Beklagte verpflichtete sich, beide Abmahnungen vom 29. Juni 2022 aus der Personalakte der Klägerin zu entfernen, die wegen "Störung des Betriebsfriedens" sofort, die wegen "Verletzung Datenschutz" zum 31. August 2023. Die Klägerin verpflichtete sich im Gegenzug, zukünftig bei der Wahl des E-Mail-Verteilers darauf zu achten, dass Nachrichten nicht an Personen gelangen, die mit der Sache nic...

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