Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Sozialauswahl bei einem Interessenausgleich anlässlich einer Betriebsänderung
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber im Rahmen eines Interessenausgleichs mit Namensliste und Sozialplan bestimmte Berufsgruppen ausschließlich nach abstrakten Qualifikationsanforderungen zur Kündigung vorgesehen (hier: sogenannte "Meister G" mit Führungsverantwortung nur für eine kleine Arbeitsgruppe), wohingegen eine andere, ebenfalls nach abstrakten Qualifikationsanforderungen gebildete Gruppe (sogenannte "Meister H" mit Führungsverantwortungen für einen Arbeitsbereich) nicht gekündigt werden soll, so stellt diese Sozialauswahl als grob fehlerhaft dar, weil sie nicht an arbeitsplatzbezogenen Kriterien anknüpft.
Normenkette
BetrVG § 111
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 17.03.2016; Aktenzeichen 5 Ca 478/15) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 17.03.2016, Az.: 5 Ca 478/15, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Rechtswirksamkeit der betriebsbedingten ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 29.06.2015.
Die Beklagte unterhält ein Möbelproduktionswerk und beschäftigt regelmäßig mehr als 400 Arbeitnehmer. Ein Betriebsrat ist gebildet.
Der am 1958 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 02.01.1996 bei der Beklagten zu einem durchschnittlichen monatlichen Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 4.618,50 EUR beschäftigt.
Er war aufgrund seines Arbeitsvertrages vom 02.01.1996 zunächst als Springer und Meistervertreter im Bereich der Produktion eingesetzt. Mittlerweile liegt dem Arbeitsverhältnis der Parteien der schriftliche Dienstvertrag für Angestellte vom 01.08.2008 (Bl. 11 ff. d.A.), der ausdrücklich auf Grundlage der für die Beklagte unmittelbar geltenden Tarifverträge für die holz- und kunststoffverarbeitende Industrie Rheinland-Pfalz abgeschlossen wurde sowie das Versetzungsschreiben der Beklagten vom 18.10.2010 (Bl. 273 d.A.) für eine Meisterfunktion in der Produktion zu Grunde. Der Kläger ist entsprechend des schriftlichen Dienstvertrages in die Gehaltsgruppe M 4/3 eingestuft und erhält ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt von 4.618,50 EUR.
Am 09.06.2015 schlossen die Beklagte und der Betriebsrat wegen der in § 2 des Interessenausgleichs näher dargestellten Betriebsänderung verbunden mit einem Personalabbau von 145 Arbeitnehmern einen Interessenausgleich mit Namensliste (Bl. 52 ff. d.A.) und einen Sozialplan (Bl. 75 ff. d.A.) ab, auf deren jeweiligen Inhalt insgesamt in Bezug genommen wird. Danach ist u.a. kein Personalabbau bei den 14 Meistern mit Zusatzqualifikation (Meister H) vorgesehen, sondern vielmehr allein ein Abbau bei den bisher 10 vorhandenen Meistern (Meister G) (vgl. § 2 Interessenausgleich i.V.m. Anlage 1 zum Interessenausgleich (Bl. 62 d.A.). Der Interessenausgleich enthält eine Namensliste mit insgesamt 145 namentlich benannten Arbeitnehmern sowohl aus dem Bereich Produktion als auch aus dem der Verwaltung, denen gekündigt werden sollte, sofern sie nicht in eine Transfergesellschaft wechselten. In der Namensliste ist u.a. der Kläger aufgeführt.
Mit Schreiben vom 29.06.2015 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nach Erstattung der Massenentlassungsanzeige und Anhörung des Betriebsrates ordentlich zum 31.12.2015. Gleichzeitig wurde der Kläger von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt. Die Kündigung ging dem Kläger noch am selben Tag zu.
Gegen diese Kündigung hat der Kläger mit beim Arbeitsgericht am 03.07.2015 eingegangenem Schriftsatz die vorliegende Klage erhoben.
Zu deren Begründung hat er vorgetragen:
die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft, da die Vergleichsgruppenbildung mit der Differenzierung Meister (G) und Meister mit Zusatzqualifikation (H) u.a. aufgrund der bisherigen tatsächlichen Praxis bei der Beklagten nicht nachvollziehbar sei und die nicht gekündigten Arbeitnehmer F., K. und W. nach der Auswahlrichtlinie aufgrund der niedrigeren Punktzahl sozialschwächer seien. Im Übrigen hätte er richtigerweise auch in die Beschäftigungsgruppe "Meister mit Zusatzqualifikation" eingeordnet werden müssen. Er habe bis zum Ausspruch der Kündigung die Verantwortung für den Arbeitsbereich TM 1 gehabt, der 3 Abteilungen umfasste: 1. Schiebetürenfertigung, 2. Sockelfertigung, 3. Lagerlogistik. In diesem Arbeitsbereich sei er nach täglicher Absprache mit seinem Abteilungsleiter für 30 Mitarbeiter allein verantwortlich gewesen. Ungeachtet dessen könne er ohnehin Stellvertreteraufgaben eines Abteilungsleiters wahrnehmen. Dieser Auffassung sei auch die Beklagte, denn sie habe den Kläger von 2008 bis 2011 als Teamleiter beschäftigt. Bei dieser damaligen Funktion sei er auf einer Hierarchieebene mit den Abteilungsleitern tätig und nicht diesen sondern vielmehr wie diese allein dem Bereichsleiter gegenüber weisungsabhängig gew...