Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit einer krankheitsbedingten Kündigung ohne vorangegangenes betriebliches Eingliederungsmanagment
Leitsatz (amtlich)
Ist ein eigentlich erforderliches betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) unterblieben trägt der Arbeitgeber die primäre Darlegungslast für dessen Nutzlosigkeit. Die Nutzlosigkeit des bEM wird nicht allein dadurch belegt, dass der Arbeitnehmer in einem früheren Gespräch mitteilte, die vorherigen Erkrankungen seien schicksalhaft gewesen.
Normenkette
KSchG §§ 1, 1 Abs. 2; SGB-IX § 84 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 22.06.2016; Aktenzeichen 3 Ca 456/16) |
Tenor
I.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 22.06.2016, Az.: 3 Ca 456/16, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
II.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten mit Schreiben vom 26. 02.2016 ausgesprochenen und am gleichen Tag dem Kläger zugegangenen krankheitsbedingten ordentlichen Kündigung zum 30.09.2016.
Die Beklagte erzeugt Wellpappenprodukte und beschäftigt hierzu in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer im Sinne des § 23 KSchG.
Der 1958 geborene und geschiedene Kläger ist seit dem 21. November 1988 bei der Beklagten zuletzt als Maschinenarbeiter/Helfer mit einem monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 2.100,00 EUR beschäftigt.
Seit 2011 weist der Kläger in Folge von Arbeitsunfähigkeit folgende Fehlzeiten auf:
Im Jahr 2011 fehlte er deshalb vom 21.03 bis 29.03 an 7 Arbeitstagen, vom 02.05 bis 13.05 an 10 Arbeitstagen und vom 27.05 bis zum 2.12. an 114 Tagen. Im Jahr 2011 leistete die Beklagte insgesamt für 47 Tage Entgeltfortzahlung.
Sodann fehlte der Kläger im Jahr 2012 aufgrund von Arbeitsunfähigkeit vom 02.02 bis 10.02 an 7 Arbeitstagen, vom 01.05 bis 18.05 an 14 Arbeitstagen und vom 19.10 bis 16.11 an 21 Arbeitstagen, insgesamt also an 42 Arbeitstagen, für die die Beklagte insgesamt 4.964,00EUR Entgeltfortzahlung leistete.
Im Jahr 2013 fehlte der Kläger schließlich vom 07.01. bis 15.02 an 30 Arbeitstagen, vom 22.04 bis 19. 06 an 39 Arbeitstagen und vom 3.12 bis 6.12 an 4 Arbeitstagen, insgesamt also an 73 Arbeitstagen, für die die Beklagte insgesamt 9.492,00 EUR Entgeltfortzahlung leistete.
Der Kläger war im Jahr 2014 am 19.02 einen Arbeitstag und erneut vom 10.03 bis 01.11 arbeitsunfähig erkrankt und damit insgesamt 164 Tage, wobei der Kläger seit dem 22.04 aus der Entgeltfortzahlung ausgeschieden war, so dass die Beklagte insgesamt in diesem Jahr für 31 Tage Entgeltfortzahlung in Höhe von 3.643,00 EUR leistete.
Am 26.01.2015 führte die Beklagte mit dem Kläger ein Gespräch vor ihrem betrieblichen Eingliederungsmanagementausschuss durch. Der Kläger erkrankte erneut arbeitsunfähig wegen Beschwerden an der rechten Hand ab dem 18.05.2015 bis zum Zugang der Kündigung am 26. Februar 2016 und darüber hinaus. Im Jahr 2015 leistete die Beklagte für 30 Arbeitstage Entgeltfortzahlung in Höhe von 3.721,00 EUR sodann schied der Kläger aus der Entgeltfortzahlung aus, weshalb auch im Jahr 2016 keine weiteren Entgeltfortzahlungskosten mehr anfielen.
Nach Anhörung des Betriebsrats zu einer Kündigung aus personenbedingten Gründen (vgl. Anhörungsschreiben Blatt 25 f. d.A. sowie Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats Bl. 27 f. d.A.), kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 26.02.2016 zum 30.09.2016.
Mit seiner am 11.03.2016 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingegangenen Kündigungsschutzklage wehrt sich der Kläger gegen die Beendigung des mit der Beklagten geschlossenen Arbeitsverhältnisses.
Der Kläger hat geltend gemacht,
die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Insoweit bestreitet er u.a. eine negative Prognose und verweist dazu für die meisten Arbeitsunfähigkeitszeiträume unter Darlegung unter Entbindung der behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht auf die jeweilig zugrundeliegende Krankheitsursache und deren Einmaligkeit bzw. Ausheilung (genauer Bl. 30-33 d.A.). Zudem hätte die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung wegen der ihr bekannten Handerkrankung ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen müssen. Denn es hätte ein milderes Mittel als die streitgegenständliche Kündigung gefunden werden können.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26. Februar 2016 nicht beendet wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat insoweit die Auffassung vertreten,
die Kündigung sei sozial gerechtfertigt und insbesondere auch verhältnismäßig gewesen. Sie hätte vor Ausspruch der Kündigung nicht erneut ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchführen müssen. Es stünden keine freien Arbeitsplätze mit geringeren körperlichen Belastungen zur Verfügung, auf denen der Kläger hätte weiterbeschäftigt werden können. Zudem habe der Kläger am 26. Januar 2015 im Rahmen des Gesprächs - insoweit unstreitig- erklärt, die Beklagte k...