Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbegriff i.S.d. § 1 KSchG. Sozialauswahl

 

Leitsatz (amtlich)

Bewachte Objekte können einen selbständigen Betrieb oder Betriebsteil i.S.d. § 1 KSchG darstellen, wenn ein Beauftragter dort alle wesentlichen Arbeitgeberfunktionen erfüllt.

Ist der Beauftragte für einen Bezirk mit mehreren Objekten zuständig und sieht der Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers eine Um-/Versetzung in diese und andere Objekte vor, sind die dortigen Arbeitnehmer bei der Betriebsgröße und dem Kreis, um welchen die soziale Auswahl zu treffen ist, mit einzubeziehen.

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 03.12.1998; Aktenzeichen 3 Ca 1180/98)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 15.03.2001; Aktenzeichen 2 AZR 705/99)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 03.12.1998 – AZ: 3 Ca 1180/98 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die Beklagte betreibt ein Bewachungsunternehmen mit insgesamt ca. 400 Beschäftigten, das Objekte – schwerpunktmäßig Bundeswehrliegenschaften – im ganzen Bundesgebiet betreut. Der Hauptsitz der Beklagten mit der zentralen Unternehmensleitung befindet sich in Betzdorf.

Der Kläger war seit 2. September 1987 bei der Beklagten als Wachmann zu einem Nettomonatsgehalt von DM 3.500,– beschäftigt. Der Einsatzort des Klägers war die Bundeswehrkaserne Oranienstein in Diez, wo die Beklagte ständig mehr als 5 Arbeitnehmer beschäftigte. Der Kläger ist verheiratet und hat zwei minderjährige unterhaltsbedürftige Kinder. Mit Bescheid vom 2. Dezember 1987 wurde bei ihm eine Behinderung mit einem Grad von 50 festgestellt.

In dem zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrag vom 2. September 1987 ist in Ziffer 1 als „Einsatzort” die Bundeswehrkaserne Oranienstein in Diez festgelegt. In Ziffer 2 des Vertrages ist geregelt; „Der Arbeitnehmer erklärt sich bereit, im Bedarfsfall auch in anderen Objekten zur Bewachung eingesetzt zu werden. Eine Minderung des Lohns darf nur mit Einverständnis des Arbeitnehmers durch einen Arbeitsplatzwechsel eintreten”. Bei dem vom Kläger unterschriebenen Arbeitsvertrag handelt es sich um ein von der Hauptstelle in Betzdorf vorgefertigtes Vertragsformular, das jeweils zuerst dem einzustellenden Arbeitnehmer vom „Einsatzleiter” vor Ort zur Unterschrift vorgelegt wird. Nach Vertragsunterzeichnung durch den Arbeitnehmer wird der Vertrag dann der Hauptstelle in Betzdorf zugeleitet und dort von der Beklagten unter der Anschrift in Betzdorf unterschrieben.

Die Bewachungsobjekte der Bundeswehr werden jeweils an einen bestimmten Bieterkreis (sog. beschränkt öffentliche Ausschreibung) zur Überwachung ausgeschrieben. Nach den Vorgaben der Ausschreibung kalkuliert die Beklagte je nach Art und Größe des Objekts die Anzahl der einzusetzenden Wachleute und deren Einkommen sowie die Kosten für Betriebsmittel und den zu erwartenden Gewinn. Falls das Objekt hiernach für die Beklagte als wirtschaftlich sinnvoll erscheint und sie den Zuschlag erhält, wird mit der Bundeswehr ein Vertrag über die Bewachung des betreffenden Objekts abgeschlossen. Die Beklagte führt hierbei für jedes Objekt eine eigene Kostenstelle.

Die Überwachung der Bundeswehrliegenschaften durch die Beklagte erfolgt dann auf der Grundlage eines – für alle Objekte im Wesentlichen identischen – Bewachungsvertrag in Verbindung mit einer auf das jeweilige Objekt zugeschnittenen besonderen Wachanweisung. Der Bewachungsvertrag regelt hierbei den Gegenstand des Bewachungsauftrages, wie z.B. den Umfang der einzelnen Wachaufgaben mit der jeweiligen Wachzeitdauer, die Anforderungen an das Wachpersonal sowie deren Ausstattung und Ausbildung, erforderliche Sicherheitsbelehrungen, Kontrolle der Wachen, Austausch und Ablösung der Wachpersonen, usw. In der besonderen Wachanweisung sind die objektbezogenen Einzelheiten geregelt, d.h. die genaue Lage der Wachzeiten, Wachbereiche (Streifenwege), Aufgaben des Wachpersonals sowie deren Befugnisse und Befehlsunterstellungen, Durchführung des Wachauftrags, Wacheinteilung, Ausrüstung, Anzüge der Wachen, Unterbringung der Wache, Geltung der allg. Wachanweisung bzw. Kasernenordnung, Ausbildung, usw. Als weitere Anlagen sind dem Bewachungsvertrag die zu beachtenden Vorschriften (Anlage 2: Ausführungsbestimmungen zum Gesetz über die Anwendung unmittelbaren Zwangs und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen (AB-UZwGBw) sowie die von den eingesetzten Wachleuten auszufüllenden Formulare (Anlagen 3–5) und ein Merkblatt (Anlage 6) beigefügt.

Zur Erfüllung der ihr obliegenden Bewachungsaufgaben setzt die Beklagte sog. „Einsatzleiter” ein, die jeweils für bestimmte Bewachungsobjekte zuständig sind. Für den damaligen Einsatzort des Klägers, die Kaserne Oranienstein in Diez, war der Einsatzleiter L. zuständig, der über dieses Objekt hinaus auch für das Sanitätsdepot Lorch, das Gerätehauptdepot Lorch, di...

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