Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Kurzerkrankungen. Krankheitsbedingte Kündigung
Leitsatz (redaktionell)
Voraussetzung für die Bejahung einer negativen Gesundheitsprognose ist das Vorliegen konkreter, medizinisch belegbarer objektiver Tatsachen, welche die Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 10.11.2005; Aktenzeichen 2 Ca 74/05) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 10.11.2005, AZ: 2 Ca 74/05, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
Der am 08.04.1972 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.04.2001 als Gießereimechaniker beschäftigt. Sein Arbeitsentgelt belief sich zuletzt auf ca. 1.800,00 Euro brutto monatlich. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden.
Der Kläger war im Jahr 2001 an 38 Arbeitstagen, in 2002 an 46 Arbeitstagen, in 2003 an 68 Arbeitstagen und in 2004 an 104 Arbeitstagen arbeitsunfähig erkrankt. Wegen der Krankheitszeiten und den diesen jeweils zugrunde liegenden Ursachen bzw. ärztlichen Diagnosen (soweit der Kläger diese vorgetragen hat) wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (dort S. 3 = Bl. 122 d. A.) Bezug genommen, wobei jedoch zwischen den Parteien streitig ist, ob die Erkrankung vom 09.12. bis 20.12.2002 wegen einer Beckenprellung auf einem Arbeitsunfall beruht. Die von der Beklagten diesbezüglich aufgewendeten Entgeltfortzahlungskosten beliefen sich im Jahr 2001 auf 4.673,53 Euro, Im Jahr 2002 auf 6.273,68 Euro, im Jahr 2003 auf 9.615,45 Euro und im Jahr 2004 auf 14.979,20 Euro. Wegen der Zusammensetzung dieser Beträge im Einzelnen wird Bezug genommen auf den Schriftsatz der Beklagten vom 07.02.2005 (dort S. 2 u. 3 = Bl. 19 u. 20 d. A.).
Mit Schreiben vom 11.01.2005 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 08.02.2005. Gegen diese Kündigung richtet sich die vom Kläger am 13.01.2005 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.
Der Kläger hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, da eine negative Prognose hinsichtlich seines Gesundheitszustandes nicht gegeben sei. Diejenigen Erkrankungen, die in der Vergangenheit zu längeren Ausfallzeiten geführt hätten, seien mittlerweile ausgeheilt.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 11.01.05 nicht beendet wird.
- Festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch einen anderen Beendigungstatbestand beendet wird, sondern auf unbestimmte Zeit fortbesteht.
- Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) und/oder 2) die Beklagte zu verurteilen, den Kläger bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Gießereimechaniker weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich u. a. vorgetragen, die Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit ließen auf eine schlechte gesundheitliche Entwicklung in der Zukunft schließen. Die krankheitsbedingten Ausfallzeiten führten zu erheblichen betrieblichen Belastungen. Um das Produktionsprogramm erfüllen zu können, müssten andere Mitarbeiter aus der Gießerei Mehrarbeit leisten. Dies führe zu Unruhe innerhalb der Belegschaft. Darüber hinaus führten die Fehlzeiten des Klägers auch zu überdurchschnittlichen Entgeltfortzahlungskosten.
Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Gutachtens vom 20.09.2005 (Bl. 80-106 d. A.) verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 10.11.2005 der Kündigungsschutzklage (Klageantrag zu 1.) und dem Weiterbeschäftigungsantrag (Klageantrag zu 3.) stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 5-7 dieses Urteils (=Bl. 124-126 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihr am 21.11.2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 08.12.2005 Berufung eingelegt und diese am 20.01.2006 begründet.
Die Beklagte rügt in ihrer Berufungsbegründung im wesentlichen die vom Arbeitsgericht vorgenommene Beweiswürdigung und macht diesbezüglich geltend, entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts sei die sich aus den Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit ergebende Indizwirkung für das Bestehen einer negativen Gesundheitsprognose nicht durch den Inhalt des eingeholten Sachverständigengutachtens erschüttert. Diesbezüglich sei insbesondere zu berücksichtigen, dass der Sachverständige am Ende seines Gutachtens in einer Anmerkung ausführe, dass für ihn der persönliche subjektive Eindruck verbleibe, dass sich die krankheitsbedingten Ausfallzeiten des Klägers in Zukunft nicht verringern...