Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung durch Insolvenzverwalter. Betriebsänderung. Betriebsübergang. Interessensausgleich. Sozialauswahl

 

Leitsatz (redaktionell)

Der Arbeitgeber hat die Vermutungsbasis des § 125 InsO, wonach eine Betriebsänderung geplant und für die Kündigung des Arbeitnehmers kausal war und dieser ordnungsgemäß in einem Interessenausgleich benannt ist, substantiiert darzulegen und zu beweisen.

 

Normenkette

InsO § 125; KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 22.04.2004; Aktenzeichen 2 Ca 9/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom22.04.2004 – 2 Ca 9/04 – wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer durch den Insolvenzverwalter ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.

Die 55-jährige Klägerin, die verheiratet ist, war seit dem 14.08.1973 bei der Fa. B G bzw. deren Rechtsvorgänger zuletzt in der Feingießerei mit einer monatlichen Bruttovergütung von 1.950,– EUR beschäftigt.

Der Beklagte ist der ab 20.12.2002 vorläufige und ab dem 19.02.2004 endgültige Insolvenzverwalter.

Nach einem Interessenausgleich vom 17.12.2003 sollen bis auf die Putzerei alle Betriebsteile von der Fa. B G zum 01.04.2004 übernommen werden. Die Klägerin ist in der Liste der zu entlassenden Arbeitnehmer aufgeführt. Mit Schreiben vom 19.12.2003 kündigte der Beklagte ordentlich zum 31.10.2004.

Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten,

die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt, die getroffene Sozialauswahl sei fehlerhaft. Sie sei niemals nur einem Arbeitsbereich zugeordnet gewesen, sie sei je nach betrieblichem Bedarf in den Betriebsbereichen Wachsraum, Schleiferei/Putzerei, Kontrolle und Büro eingesetzt gewesen.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,

festzustellen, dass das zwischen der Klägerin und Fa. B G bestehende Arbeitsverhältnis durch die beiden seitens des Beklagten jeweils mit Schreiben vom 19.12.2003 zum 31.03.2004 ausgesprochenen Kündigungen nicht beendet wird.

Die Beklagte hat erstinstanzlich

Klageabweisung

beantragt und erwidert, der Sozialplan sei mit der Namensliste und dem Interessenausgleich durch Heftklammer fest verbunden gewesen (Beweis: Betriebsratsvorsitzender S). Der Betriebsrat sei auch vor Ausspruch der Kündigung über die Sozialdaten der Arbeitnehmer informiert worden (Beweis: wie vor).

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 22.04.2004 – 2 Ca 9/04 – sowie sämtlich vorgelegte Unterlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat im vorerwähnten Urteil auf Rechtsunwirksamkeit der Kündigung vom 19.12.2003 erkannt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, dass die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl sozial ungerechtfertigt sei. Auch wenn ein Arbeitnehmer in einer Namensliste aufgenommen worden sei, könne er im Kündigungsschutzverfahren verlangen, dass der Arbeitgeber die Gründe angäbe, die zur getroffenen Sozialauswahl geführt hätten. Hierzu habe der Beklagte trotz Aufforderung in der Klageschrift nichts vorgetragen.

Wegen der Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf Seite 3 – 4 des Urteils (Bl. 71 – 73 d. A.) verwiesen.

Gegen das dem Beklagten am 04.06.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 05.07.2004 eingelegte und am 03.08.2004 begründete Berufung des Beklagten.

Diese trägt zweitinstanzlich weiter vor,

im Hinblick auf die anderweitige Klage der Klägerin auf Feststellung des Übergangs ihres Arbeitsverhältnisses gegen die Übernehmerin sei das Rechtsschutzbedürfnis auf Fortsetzung des Kündigungsschutzprozesses gegen den Veräußerer entfallen. Das Verfahren sei auf den Erwerber umzustellen. Im übrigen habe das Arbeitsgericht übersehen, dass keine Sozialauswahl stattfände, wenn eine Abteilung, in welcher die Arbeitnehmerin beschäftigt sei und die anderweitig nicht eingesetzt werden könne, geschlossen worden sei. Der Klägerin sei mit der Anlage BA-6 vorgelegten schriftlichen Anhörung mit allen Gründen im Rahmen des § 1 Abs. 3 KSchG bekannt gemacht worden. Der Informationsanspruch der Klägerin aus § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG fände seine Grenze in § 125 Abs. 1 InsO. Im Klageerwiderungsschriftsatz sei den gesetzlichen Erfordernissen Rechnung getragen worden. Im vorliegenden Fall sei die Sozialauswahl auf Null reduziert. Insoweit habe das BAG in seiner Entscheidung vom 28.08.2003 ausdrücklich festgestellt, dass zur ausgewogenen Personalstruktur im Insolvenzfall auch die Beschränkung der Sozialauswahl auf eine Abteilung, in welcher der zu kündigende Arbeitnehmer bisher beschäftigt war, statthaft sei.

Der Beklagte hat zweitinstanzlich beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat,

Zurückweisung der Berufung

beantragt und erwidert.

Die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 S. 1 InsO seien nicht erfüllt. Interessenausgleich und Namensliste bildeten keine Urkunde. Die Namensliste...

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