Entscheidungsstichwort (Thema)

Grob fehlerhafte Sozialauswahl. Sozialauswahl. grob fehlerhafte

 

Leitsatz (redaktionell)

Eine Sozialauswahl ist grob fehlerhaft im Sinne von § 125 Abs. 1 InsO, wenn der gekündigte Arbeitnehmer ohne Unterhaltspflichten 56 Jahre alt ist und seit 24 Jahren im Betrieb beschäftigt wird, während ein vergleichbarer Arbeitnehmer ebenfalls ohne Unterhaltspflichten 52 Jahre alt und erst seit zwölf Jahren beschäftigt ist.

 

Normenkette

InsO § 125 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 13.05.2004; Aktenzeichen 7 Ca 317/04)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.05.2004, Az.: 7 Ca 317/04 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

2. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.

Die am 30.10.1947 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 08.10.1979 bei verschiedenen Rechtsvorgängerinnen der Firma X GmbH & Co KG sowie zuletzt bei dieser Gesellschaft, die mit 99 Arbeitnehmern eine Feingießerei betrieb, als Arbeiterin beschäftigt. Zuletzt war sie in der Abteilung Putzerei eingesetzt und bezog eine monatliche Arbeitsvergütung in Höhe von insgesamt 2.535,00 EUR brutto.

Neben der Abteilung Putzerei gab es bei der Firma X GmbH & Co KG unter anderem auch eine Abteilung Wachsraum. In dieser Abteilung war unter anderem Frau W, die 52 Jahre alt und ledig ist, seit dem 01.08.1991 als Montagearbeiterin beschäftigt.

Mit Beschluss vom 18.02.2003 (Bl. 13 f. d.A.) eröffnete das Arbeitsgericht C-Stadt das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma X GmbH & Co KG und ernannte den Beklagten zum Insolvenzverwalter. Der Beklagte erarbeitete ein Sanierungskonzept, um eine Veräußerung der Schuldnerin zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang vereinbarte er mit dem bei der Schuldnerin errichteten Betriebsrat den Interessenausgleich vom 17.12.2003 (Bl. 43 ff. d.A.), wonach die Abteilung Putzerei zum 31.03.2004 geschlossen und die restlichen Betriebsteile zum 01.04.2004 auf die Firma X Gusstechnik GmbH übertragen werden sollten. Die in der Putzerei beschäftigten Arbeitnehmer sollten, soweit sie nicht ein Übergangsangebot auf eine Firma V annehmen, betriebsbedingt gekündigt werden. Dem Interessenausgleich war als Anlage 3 (Bl. 47 d.A.) eine Liste mit den Namen und Sozialdaten der 23 Arbeitnehmer beigefügt, deren Arbeitsverhältnis beendet werden sollte; in dieser Namensliste, die durch eine Heftklammer mit dem Interessenausgleich verbunden war, ist auch die Klägerin aufgeführt.

Mit Schreiben vom 04.02.2004 (Bl. 4 d.A.), das der Klägerin am 05.02.2004 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin unter Hinweis auf § 113 Abs. 1 InsO zum 31.05.2004.

Die Klägerin hat am 16.02.2004 beim Arbeitsgericht Kaiserslautern Kündigungsschutzklage erhoben.

Von der Darstellung des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Abstand genommen und auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 13.05.2004 (dort S. 4 f. = Bl. 98 f. d.A) verwiesen.

Die Klägerin hat beantragt,

festzustellen, dass ihr Arbeitsverhältnis bei dem Beklagten nicht durch die Kündigung vom 04.02.2004 zum 31.05.2004 aufgelöst werden wird.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 13.05.2004 (Bl. 95 ff. d.A.) stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 KSchG rechtsunwirksam, da eine grob fehlerhafte Sozialauswahl im Sinne von §§ 1 Abs. 3 KSchG, 125 InsO zum Fehlen einer sozialen Rechtfertigung für die Kündigung führe. Der Beklagte habe zum Kündigungszeitpunkt den Arbeitnehmer U mit Putzarbeiten weiterbeschäftigt, obwohl dieser Arbeitnehmer vier Jahre jünger als die Klägerin sei und eine um zehn Jahre kürzere Beschäftigungszeit aufzuweisen habe; wie die Klägerin sei er niemandem zum Unterhalt verpflichtet.

Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung, die ihr am 18.06.2004 zugestellt worden ist, am Montag, den 19.07.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 18.08.2004 ihr Rechtsmittel begründet.

Die Beklagte macht geltend,

das Arbeitsgericht sei von falschen Tatsachen bei seinem Vergleich zwischen der Klägerin und Herrn U ausgegangen, denn Herr U sei verheiratet und seine Ehefrau sei zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung des Arbeitsvertrages mit der Klägerin arbeitslos gewesen. Im Übrigen sei eine Sozialauswahl überhaupt nicht durchzuführen gewesen, da die Klägerin im Betrieb nicht anderweitig habe eingesetzt werden können. Nachdem das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 28.08.2003 festgestellt habe, dass zur ausgewogenen Personalstruktur im Insolvenzfall auch die Beschränkung der Sozialauswahl auf eine Abteilung, in welcher die zu kündigende Arbeitnehmerin bisher beschäftigt gewesen sei, statthaft sei, müsse er, der Beklagte keine vertieften Gründe zu einer Sozialauswahl geben, zumal die gesamte Abte...

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