Entscheidungsstichwort (Thema)
Personenbedingte Kündigung, Krankheitsbedingte Kündigung. Herzerkrankung. Negative Zukunftsprognose. Wirtschaftliche Belastungen, hohe Entgeltfortzahlungskosten
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine krankheitsbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn eine negative Gesundheitsprognose zu stellen ist, die zu erheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen führt und sich im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung eine unzumutbare Belastung des Arbeitgebers ergibt.
2. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen kann auch in der wirtschaftlichen Belastung durch erhebliche Entgeltfortzahlungskosten liegen.
3. Im Rahmen einer bei einer krankheitsbedingten Kündigung vorzunehmenden Interessenabwägung sind zu Gunsten des Arbeitnehmers sein Lebensalter, seine Unterhaltsverpflichtungen sowie die Dauer seiner Betriebszugehörigkeit zu berücksichtigen.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 28.05.2003; Aktenzeichen 3 Ca 3318/01) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom28.05.2003, Az.: 3 Ca 3318/01 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung sowie um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits.
Der am 11.11.1947 geborene Kläger, der gegenüber seiner Ehefrau und einem Sohn unterhaltspflichtig ist, wird seit dem 22.04.1981 bei der Beklagten, die mit in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmern ein Gebäudereinigungsunternehmen betreibt, als Reiniger gegen Zahlung einer monatlichen Arbeitsvergütung in Höhe von 1.789,52 EUR (3.500,00 DM) brutto beschäftigt.
Der Kläger war zumindest während der nachfolgend aufgelisteten Zeiten arbeitsunfähig erkrankt:
Jahr |
Krankheitstage |
Arbeitstage |
Krankheitstagegesamt |
Krankheit |
Kosten EFZ EUR |
|
von |
bis |
mit EFZ/ |
ohne EFZ |
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1998 |
04.05. |
22.05. |
14 |
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22 |
Stenokardische Beschwerden, Bypass/Hyperthropie |
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16.10. |
16.10. |
1 |
|
1 |
Gastritis |
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03.11. |
17.11. |
11 |
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11 |
Koronare Herzkrankheit |
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30.11. |
18.12. |
6 |
9 |
15 |
Koronare Herzkrankheit |
|
Gesamt |
|
|
32 |
9 |
49 |
|
1.895,13 |
1999 |
15.02. |
19.02. |
5 |
|
5 |
Schwindel, depressive Stimmung |
|
|
20.05. |
26.05. |
5 |
|
5 |
Paronychie |
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|
16.09. |
24.09. |
7 |
|
7 |
Allg. Beschwerden |
|
|
11.10. |
11.10. |
1 |
|
1 |
Koronare Herz-Krankheit; akuter Myokard Infarkt |
|
|
01.12. |
17.12. |
13 |
|
13 |
|
|
Gesamt |
|
|
31 |
|
31 |
|
2.258,73 |
2000 |
06.03. |
10.03. |
5 |
|
5 |
Akute Laryngitis (Kehlkopfentzündung) |
|
|
14.09. |
20.10. |
27 |
|
27 |
Chronische Ichämische Herz-Krankheit, instabile Angina pectoris |
|
Gesamt |
|
|
32 |
|
32 |
|
2.369,87 |
2001 |
23.04. |
01.06. |
28 |
|
28 |
Instabile tatheroskterotische Herzkrankheit; instabile Anginapectoris |
|
|
05.08. |
26.08. |
15 |
|
15 |
Wievor |
|
Gesamt |
|
|
43 |
|
43 |
|
2.330,43 |
Mit Schreiben vom 17.10.2001 forderte die Beklagte den Kläger auf, zu seinen Fehlzeiten Stellung zu nehmen und ggf. entsprechende ärztliche Atteste vorzulegen. Der Kläger reagierte hierauf nicht.
Daraufhin leitete die Beklagte die Anhörung des bei ihr errichteten Betriebsrates zu der beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Schreiben vom 21.11.2001 (Bl. 20 d.A.) ein. Der Betriebsrat erklärte am 27.11.2001 (vgl. Bl. 21 d.A.) seine Zustimmung zu dieser Personalmaßnahme.
Die Beklagte kündigte sodann mit Schreiben vom 28.11.2001 (Bl. 6 d.A.) welches dem Kläger am 28.11.2001 zuging, das Beschäftigungsverhältnis zum 30.06.2002.
Mit seiner am 04.12.2001 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen eingereichten Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und seine Weiterbeschäftigung bis zum Abschluss des Rechtsstreits verlangt.
Der Kläger hat unter anderem geltend gemacht,
soweit die Beklagte weitere Arbeitsunfähigkeitszeiten aus dem Zeitraum von 1988 bis 1997 vortrage, könne er diese, aufgrund des Zeitablaufs nicht mehr beurteilen und bestreite das entsprechende gegnerische Vorbringen mit Nichtwissen. Die Gesundheitsprognose zum Kündigungszeitpunkt sei nicht negativ gewesen, da die orthopädischen Beschwerden aus der Zeit vor 1998 ausgeheilt seien und er auch die 1998 aufgetretenen Herzerkrankungen durch Kontrolle der Risikofaktoren und Befolgung von Therapieempfehlungen im Griff habe. Eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen liege nicht vor, da zum einen nur in den Jahren 1992 und 1995 Entgeltfortzahlungskosten aufgetreten seien, die den sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum deutlich überschreiten würden. In den Jahren 1993, 1994, 1996 und 1998 bis 2001 sei es lediglich zu geringfügigen Überschreitungen gekommen. Betriebsablaufstörungen seien von der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht in substantiierter Weise dargelegt worden.
Eine über das Anhörungsschreiben vom 21.11.2001 hinausgehende mündliche Unterrichtung des Betriebsrates werde bestritten.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die mit Schreiben der Beklagten vom 28.01.2001 – übergeben am gleichen Tage – ausgesprochene Kündigung zum 30.06.2002 nicht aufgelöst ist,
- für den Fall des Obsiegens die Beklagte zu verurteilen, i...